Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Heidelberg

156. Friedrich der Siegreiche

»Friedrich auf, die Felder rauchen, volle Scheuern glühn im Brand,
Auf, des Armes zu gebrauchen, siegreich bist du ja genannt.

Württemberg und Baden sengen, Metz und Speier hausen schlimm:
Eh' sie deine Burg bedrängen, triff sie mit der Rache Grimm.«

Friedrich hört's und machtgerüstet stürmt er von dem hohen Schloß,
Die schon Heidelbergs gelüstet, nieder streckt sie sein Geschoß;

Nieder aus dem Hinterhalte streckt sein Speer sie und sein Schwert:
Jetzt die ganze Kraft entfalte, stolzer Feind, die Stirn gekehrt!

Biet ihm Schlacht, der so verwegen dich bedroht, ein schwacher Hauf,
Jetzo kannst du ihn erlegen und die Pfalz steht nie mehr auf.

Kämpfend mengen sich die Scharen, hier der Rhein, der Neckar dort;
Doch des Kampfgewühls Gefahren zähmt des Pfalzgrafs herrschend Wort.

Plötzlich winkt er im Gefechte, und auf die berittnen Reihn
Rücken seine Lanzenknechte mit den langen Dolchen ein.

Schlüpfen untern Bauch der Pferde, stechen hin und stechen her:
Roß und Reiter stürzt zur Erde und erschrocken wankt das Heer:

»Flieht, Verzagte! Nicht entlaufet ihr der Schande, noch der Hast:
Oder freut's euch, so ersaufet immerhin in blühnder Kraft.

Seht, wie kühl das Wasser ladet! hier der Rhein, der Neckar dort.
Streckt die Waffen denn!« Begnadet führt er sie zum Schloßberg fort.

»Truchseß auf! Herbei ihr Schenken, rüstet mir das Siegesmahl,
Liege Purpur auf den Bänken, reich umhangen sei der Saal.

Hörner sollen laut erschallen, Weine fließen weiß und rot,
Fisch und Wildbret teilet allen, aber eins gebreche – Brot.«

Freundlich lädt er sie zum Mahle: seid willkommen, tut Bescheid,
Edle Herrn, mir im Pokale, und im Wein ertränkt das Leid.

Zwei Bischöfe, beide Grafen, was wir lieben, klinget an!
Wie wir heut' im Feld uns trafen, so besteht mich Mann für Mann.

Sitzt umher und mög' euch munden, was der karge Koch uns trug;
Gern verschönt' ich euch die Stunden, widrig ist die Haft genug.

Mag des Sängers Mund indessen singen was ihm Gott gebot.
Fehlt noch was? Ist Salz vergessen? – »Nichts, Herr Pfalzgraf, nichts als Brot.«

Brot nur? Truchseß, Brot vergaßt Ihr: Brot ernährt, das schaffet her.
»Herr, den letzten Bissen aßt Ihr, und die Pfalz hat keines mehr.« –

Backet denn und lasset mahlen – »Gnäd'ger Herr, das Korn gebricht.« –
Nun so drescht, ich kann's bezahlen: mangeln doch die Garben nicht. –

»Ja, sie mangeln, blicket nieder, Scheuern glühn, es raucht das Feld.« –
Ackert denn und säet wieder, bis der Halm der Sichel fällt.

»Just zum Säen fehlt's am Korne: auch die Aussaat schlang der Brand,
Alles im vergebnen Zorne schlang der Feind im Pfälzer Land.« –

Branntet alles ihr zu Kohlen, so geduldet euch, ihr Herrn;
Fremdes Brot herbei zu holen öffnet ihr die Säckel gern.

Dann bedarf es Korn zum Mahlen, Korn der Erde zu vertraun,
Das auch werdet ihr bezahlen, und dem Landmann Hütten baun.

Wenn ihr wieder hierzulande ungerechte Kriege führt,
Laßt dem Bauern, pfui der Schande! Scheu'r und Felder unberührt.

            K. S. [Karl Simrock]

 

157. Perkeo

Das war der Zwerg Perkeo im Heidelberger Schloß,
An Wuchse klein und winzig, an Durste riesengroß.

Man schalt ihn einen Narren, er dachte: »Liebe Leut',
Wärt ihr wie ich doch alle feuchtfröhlich und gescheut!«

Und als das Faß, das große, mit Wein bestellet war,
Da ward sein künftiger Standpunkt dem Zwergen völlig klar.

»Fahr wohl,« sprach er, »o Welt, du Katzenjammertal,
Was sie auf dir hantieren ist Wurst mir und egal!

Um lederne Ideen rauft man manch heißen Kampf;
Es ist im Grund doch alles nur Nebel, Rauch und Dampf.

Die Wahrheit liegt im Weine. Beim Weinschlurf sonder End'
Erklär' ich alter Narre fortan mich permanent.«

Perkeo stieg zum Keller: er kam nicht mehr herfür
Und sog bei funfzehn Jahre am rheinischen Malvasier.

War's drunten auch stichdunkel, ihm strahlte inneres Licht
Und wankten auch die Beine, er trank und murrte nicht.

Als er zum Faß gestiegen, stand's wohlgefüllt und schwer;
Doch als er kam zu sterben, klang's ausgesaugt und leer.

Da sprach er fromm: »Nun preiset, ihr Leute, des Herren Macht,
Die in mir schwachem Knirpse so Starkes hat vollbracht;

Wie es dem kleinen David gegen Goliath einst gelang
Also ich arm Gezwerge den Riesen Durst bezwang.

Nun singt ein De profundis, daß das Gewölb' erdröhnt,
Das Faß steht auf der Neige, ich falle sieggekrönt.«

. . . Perkeo ward begraben. – Um seine Kellergruft
Beim leeren Riesenfasse weht heut' noch feuchte Luft –

Und wer als frommer Pilger frühmorgens ihr genaht,
Weh ihm! Als Weinvertilger durchtobt er nachts die Stadt.

            J. V. Scheffel.

 

158. Perkeo

»Oh perché, Perkeo,
Stehst du trocken da,
Zärtlicher Romeo
Ohne Julia?

Sonst die volle Flasche
An den Mund gesetzt,
Fuchsschwanz in der Tasche
Schauen wir dich jetzt.

Pfalzgräflichen Schwindel
Höhntest du so keck,
Fahrendem Gesindel
Dienst du jetzt zum Schreck.

Der des Fürsten Zapfer
Manchmal niedertrank,
Brüstest dich nun tapfer
Mit so magerm Schwank!

Trink aus diesem Glase,
Knirps, dir Labewein,
Steck die krumme Nase,
Steck dich ganz hinein.«

Da man so gesprochen
Ihm ins Angesicht,
Zürnend losgebrochen
Ist der kleine Wicht:

»Weg, Schnapstalisierer,
Trauriges Geschlecht,
Weinverfälscher, Schmierer,
Die ihr Rampaß zecht!

Wuchrer, Erbsenzähler
Seh' ich hergeschickt,
Wert, daß blaue Mäler
Euch ein Kobold zwickt.

Schrecken war und Grauen
Mir ein leeres Glas,
Und ihr kommt zu schauen
Gar ein leeres Faß!

Wärt ihr Selbstvergifter
Guten Rats noch wert,
Hätt' ich, Übelstifter,
Anders euch belehrt:

Sudelmost zu keltern
Ist am Wein Verrat;
Keinen eurer Eltern
Brandmarkt solche Tat.

Nein, mit goldner Trauben
Gottgegebner Flut
Füllt die alten Dauben:
Das gibt hohen Mut!

Vaterland und Tugend
Predigt solcher Trank
Und die deutsche Jugend
Trinkt sich frei und frank.

Wahrheit ist im Weine,
Sagt ihr oft genug:
In gefälschtem Scheine
Liegt nur Lug und Trug.

Mit verlognen Schilden
Über gift'gem Saft
Gänzlich zu verbilden
Scheut die deutsche Kraft!

Wein von Gott gespendet
Freut des Menschen Herz;
Dem, den ihr geschändet,
Folgt der Reue Schmerz.

Solch verflixt Gebräude
Sieht wohl aus wie Wein,
Läßt doch weder Freude
Noch Gesang gedeihn.

Seht, dies ungeheure
Faß von Heidelberg,
Wie ich euch beteure,
Soff ich aus, der Zwerg!

Mit dem Zapfer trank ich
Auch das andre leer,
Schwer am Abend sank ich,
Morgens froh und hehr.

Ihr in rauch'ger Kammer
Schlürft den Tod in euch,
Flucht im Katzenjammer
Morgens auf das Zeug.

Hört's, betörte Schlucker,
Aus des Zwergen Mund,
Fusel, Malv' und Zucker
Richten euch zugrund'.

Lehr' euch dieser Keller
Edeln Weines Preis;
Sudler jagt und Preller
Fort, es ist Geschmeiß!«

            K. S. [Karl Simrock]

 


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