Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Straßburg

175. Kaiser Heinrich der Heilige

Noch erhob zum Himmelsblau sich mit Türmlein und mit Bogen
Nicht des Münsters Wunderbau, da gen Straßburg kam gezogen
Kaiser Heinrich von Bayern.

In der Kirche schlicht und klein funkeln doch geweihte Kerzen,
Und den Kaiser treibt's hinein, daß mit Andacht er, von Herzen
Huld'ge Gott, dem höchsten Herrscher.

Vor den Altar tritt er gleich, läßt sich einsam betend nieder,
Aus dem Chore voll und reich strömen wogend heil'ge Lieder;
Alle Chorherrn sind versammelt.

Und es schweigt der fromme Sang, nach und nach die Gläub'gen schwinden,
Heinrich kniet und betet lang', kann sich nicht zur Erde finden,
Wandelt oben in den Himmeln.

Endlich hebt er sich und hell ihm die Augen beide leuchten:
Jede Sünde will er schnell einem Priester treulich beichten,
Und empfahn der Kirche Segen.

Drauf er spricht: »In eure Reihn, laßt mich, heil'ge Väter, treten,
Will dem Gottessohn mich weihn, am Altare knien und beten
Und des Heiles Wort verkünden.«

Seine Diener ängstlich nahn: »Herr, was soll dem Reiche werden,
Nimmst du sein dich nimmer an? Uns zum Segen hat auf Erden
Gottes Gnade dich gegeben!«

Doch der Kaiser ruft empor schon den Eid der Priestertreue,
Dringt zum Bischof ein ins Chor, bietet sich zur heil'gen Weihe,
Wirft den Purpurmantel nieder.

Heiß umfängt ihn Werinchar, läßt ihn gläubig sich verneigen
An des Herren Fronaltar. Alle stehn in bangem Schweigen
Und der Bischof spricht zum Kaiser:

»Sohn, wohlan, Gehorsam nur leihet dir die Priesterwürde,
Drum gelob' mit heil'gem Schwur, dich zu beugen seiner Bürde
Und zu tun des Herrn Befehle:

Priester seist du Gott dem Herrn, doch dein Altar steh' im Reiche,
Leucht' ihm dort ein heller Stern, daß es nimmer von ihm weiche,
Treulich stets an ihm nur hange.

Und des Deutschen Reiches Kron' schmücke lang' dein Haupt auf Erden;
Einst vor Gottes Gnadenthron wird dir die des Himmels werden,
Und uns sollst du Heil'ger heißen!«

            August Stöber.

 

176. Das Münster zu Straßburg

Laß o Herr! das Werk der Zeiten, das dein Hauch hat angereget,
Heut' durch meinen Mund ausdeuten! großes Wort sich schwer beweget;
Schwer und langsam wie die Steine, die aus rauhem Fels gespalten
Sich erheben zum Vereine und den hohen Turm gestalten.

Gott erschuf am zweiten Tage, der vom Wasser schied die Erde,
Zeugen dieser heil'gen Sage, Felsen, sich zum Opferherde.
Erwin sah die heil'gen Zeugen drüben harren an dem Rheine,
Und im Geiste ward ihm eigen, was ein jeder sag' und meine.

Wie sie alle ihm gebieten, daß er sie hinüberführe,
Daß sie heil'gen Dienst behüten, daß die heil'ge Kunst sie ziere,
Daß aus felsenfestem Kerne sich erbaue Gottes Kirche:
Darum treiben Gottes Sterne goldne Adern durchs Gebirge.

Seht! mit diesem Goldgewinne, den sie zu dem Rheine senden,
Regen sie der Menschen Sinne, wirken sie in fleiß'gen Händen,
Daß sie große Gaben schenken zu der großen Münsterkirche,
Die der Erwin will erdenken aus den Felsen im Gebirge.

Erwin reißt mit schnellem Bleie viele Pläne zu dem Baue,
Doch es fehlt die rechte Weihe, daß er auch das Rechte schaue.
Zu der Wildnis jener Berge dringt er in Verzweiflung weiter,
Klagt, daß Wahrheit sich verberge auf des Schönen Himmelsleiter.

Betend kommt er so zur Kirche, die der erste Christ erbaute
In dem wildesten Gebirge, daß er seinen Herren schaute;
Sieht ein zierlich Bild des Stalles, wo der Herr einst war geboren,
Und das geht ihm über alles und er hat es gleich erkoren.

Die Kapell' aus Stabgeflechten ist mit Blumen reich verzieret,
Und was andre bilden möchten, diesem Plan der Preis gebühret!
Nein, kein Tempel alter Zeiten kann entzücken wie die Hütte:
Soll sich Dauerndes bereiten, steigt es nur aus frommer Sitte.

Wo die Krippe einst gestanden, ist der Altar aufgerichtet:
Wo das Kind die Hirten fanden, hat der Morgen ihn umlichtet:
Und zwei Türme, wo der Tauben keusch getrennte Liebe wohnet,
Sich erheben wie der Glauben, der im Geist hoch oben thronet.

Unser guter Meister sinnet, daß der Bau in Stein sich gründet,
Bischof Konrads Herz gewinnet, und der Bau wird weit verkündet.
Und Vergebung aller Sünden wird zu diesem Bau verliehen
Jedem, der sich da wird finden treu und mutig im Bemühen.

Bischof Konrad wohlberaten kommt mit heil'gem Öl und Weine,
Mit dem Stabe, mit dem Spaten, legt geschickt die Gründungssteine.
Ringsum stehn die Arbeitsleute, alle Geistlichen des Landes,
Alle Zünfte graben heute, selbst die Herren edeln Standes.

Als die Weihung ist vollendet, tritt der Bischof still zurücke:
Doch ein Streit hat bald geschändet dieser Sonne Gnadenblicke.
Wohl mit Recht ist lang' verkündet, daß der Teufel sich bestelle,
Wo die Kirche wird gegründet, seinem Dienste die Kapelle.

Eh' der Bischof sie kann trennen, ist ein Streit da ausgebrochen:
Brüder wild im Kampf entbrennen und der eine ist erstochen.
»Wer hat diesen Streit entzündet?« ruft der Bischof mit Entsetzen:
»Neu sei dieser Bau begründet, nicht mit Blut dürft ihr ihn netzen!«

Und es sprach der Mordgeselle: »Wo dein heil'ger Arm gegraben,
Von der lieben Gnadenstelle stieß er mich wie einen Knaben!
Weiß, ich hab' den Tod verdienet, daß ich Bruderblut vergossen,
Doch es sei die Welt gesühnet, ihr zum Heil sei es geflossen.

Wißt, es fließen hier im Grunde zwei versteckte böse Quellen:
Stopft ihr nicht die Doppelwunde, werdet ihr den Turm nicht stellen.
Ganz umsonst sind hier die Pfähle, Steine, Mörtel ganz vergebens,
Wenn ich's nicht zum Grab erwähle in der Fülle meines Lebens.

Eine Quelle will ich haben mit des armen Bruders Leiche,
Und ein Grab mir selber graben, daß das Wasser schaudernd weiche.
Dann erst ist der Turm gegründet und das Wasser ist bezwungen
Und die Säulen, hoch verbündet, sind vom Sumpfe nicht verschlungen.

Eilet euch, ihr starken Hände, daß ihr euer Grab vollendet!
Weh, ihr glüht wie Feuerbrände! Erde reinigt was sie schändet.
Seid begrüßt ihr, Rein'gungsquellen! schaudert nicht vor mir zurücke.
Ich umspanne eure Wellen, bin des Heiles feste Brücke.«

Und der Bischof sieht zum Heile hier das Unheil ausgedeutet;
Viele Schuh tief grub in Eile dieser Mörder, und erstreitet
Sich ein Grab in tiefen Quellen, die dem Meister sich verbargen:
Sicher kann der Maurer stellen auf den Leichnam dieses Argen.

            L. A. v. Arnim.

 

177. Das Uhrwerk im Münster

Kommst du zum Portal herein, wo dich unsrer lieben Frauen
Bildnis grüßet, einst in Stein von Sabinas Hand gehauen,
Sieh, da steht zur Rechten dir hoch ein Uhrwerk aufgerichtet,
Reich an wunderlicher Zier, doch sein Schlag ist längst vernichtet.

Wie ein Grabmal steht es stumm, längst verschollen alle Glocken,
Und kein Zeiger dreht sich um und die Räder sind im Stocken.
Höre, was ein Chronikbuch von dem alten Werk berichtet,
Wie ein längst gesprochner Fluch schwer an ihm den Undank richtet.

Isaak Habrecht hieß der Greis, der das Uhrwerk ausgesonnen,
Und mit frommem Sinn und Fleiß hat er seinen Bau begonnen.
Sich gemühet Tag und Nacht bis vollendet das Gebäude
Stand in seiner vollen Pracht aller Christenwelt zur Freude.

Unten ist ein Pelikan mit dem Himmelsball zu sehen,
Mond und Sonne sah man dran täglich auf und unter gehen.
Drüber ein Kalender hängt, rechts Apoll sich niederneigte,
Daß er mit dem Pfeil gesenkt jeden Tag des Jahres zeigte.

Und darüber wohl gereiht schaun die sieben Götter nieder,
Jeder wartend, bis die Zeit ihn berief, zu herrschen wieder:
Kam sein Tag, gebietend denn sah man ihn zuvörderst ragen,
Wie er lenkt' ein Tiergespann auf dem schmucken Siegeswagen.

Und ein Rad steht oben dran, sacht umschwingend vier Gestalten:
Kind und Jüngling, einen Mann, und zuletzt noch einen Alten;
Auf- und abwärts Tag und Nacht ging ein jeder seine Strecken,
Jeden Viertelstundenschlag schlagend auf ein Zimbelbecken.

Drüber hängt ein Glöckchen frei, das die Stunden schlagen sollte;
War ein Viertel kaum vorbei, kam der Tod, der läuten wollte;
Doch hervor trat Jesus Christ und befahl dem Tod zu fliehen,
Erst wann voll der Stunde Frist, ließ er ihn am Strange ziehen.

Und zu oberst unterm Dach war ein Glockenspiel zu preisen;
Kirchenlieder mannigfach spielt' es auf in alten Weisen.
So mit frommer Kunst vollbracht, aller Christenheit zur Freude,
Stand in seiner vollen Pracht Isaak Habrechts Uhrgebäude.

Aber links dort, konterfeit siehst du einen Alten stehen,
Der dem Werk einst prophezeit, daß es bald müss' untergehen.
Als man noch am Bauen war, kam er oft zur Morgenfrühe,
Und mit Lächeln sagt' er wahr, eitel sei die ganze Mühe.

Einem Steinmetz fiel es bei, hier sein Bildnis auszuhauen,
Daß er sich im Konterfei überwiesen müsse schauen;
Doch der Alte stand nicht lang', war sein Name schon gerochen,
Und des Werkes Untergang zeugte, daß er wahr gesprochen.

Einst der Magistrat erfuhr: Isaak wandre bald ins Weite,
Daß er solche Münsteruhr andern Städten auch bereite;
Und sie sannen insgeheim zu verderben diesen Greisen:
Straßburg sei der Ruhm allein, solch ein Prachtwerk aufzuweisen.

Und beschlossen wird zugleich, ihm die Augen auszustechen.
Isaak vor Entsetzen bleich hört sein grausam Urteil sprechen,
Doch sich fassend fleht er nur: Ach! noch einmal möcht' er gehen
Und an seiner Münsteruhr was zu bessern sei besehen.

Seine Bitte ward erhört; drinnen saß er eine Weile
Schaffend still und ungestört mit der Zange, mit der Feile.
Als er fertig, vor dem Rat ward das Aug' ihm ausgestochen;
Aber diese Greueltat hatt' er selber schon gerochen.

Denn am selben Tag entspannt sprang im Uhrwerk jede Feder,
Und des Meisters Rächerhand bracht' in Stocken alle Räder.
Und so stehet heut' der Bau noch zerrüttet aufgerichtet
Als ein Warnungsmal zur Schau, wie der Undank wird gerichtet.

Mancher Künstler hat's versucht, aber keinem will's gelingen,
Was der Meister hat verflucht wieder neu in Schwung zu bringen.
Und im Volk die Sage geht: jenes alte tück'sche Wesen,
Jener Untergangsprophet ist der Teufel selbst gewesen.

Er mit Höllenkünsten hat alles Unglück angestiftet,
Hat das Herz dem Magistrat ganz verblendet und vergiftet,
Hat den Meister auch betört, daß in jäher Rachbegierde
Er mit eigner Hand zerstört seines Werkes hohe Zierde.

Er mit seinem Zauberfluch weiß den Künstler zu berücken,
Daß ein jeder Bauversuch an dem Uhrwerk muß mißglücken.
Und wenn fromme Christen stehn trauernd vor dem Uhrgebäude,
Kann man oft den Alten sehn lächeln voller Schadenfreude.

            Adolf Stöber.

 

178. Kaiser Sigismund

Der ritterlich gestritten auf manchem heißen Feld,
Aus Welschland kommt geritten Herr Sigismund der Held;
Zu Felde nicht, zum Throne, gen Aachen zieht er heut',
Wo seine Kaiserkrone das Deutsche Reich ihm beut.

Und als er nun gekommen nach Straßburg an dem Rhein,
Welch Jubeln und Willkommen die Straßen aus und ein!
Aus allen Fenstern Grüße, die Wege bunt bestreut,
Musik und Freudenschüsse, vom Münster Festgeläut.

Den Kaiser zu empfangen stand reich gedeckt der Tisch,
Trompet' und Pauken klangen und Kränze blühten frisch.
Doch schöner war zu schauen als diese Blumenpracht
Der Kranz holdsel'ger Frauen in ihrer schmucken Tracht.

Und als in später Stunde der Kaiser brach empor,
Trat aus der Frauen Runde die allerschönste vor:
»Ruht aus von aller Mühe, Herr Kaiser, ruhet ganz,
Daß Ihr uns morgen frühe recht munter seid zum Tanz.«

Kaum hat der Hahn gerufen, schon sind die Frauen wach,
Und harren auf den Stufen vor ihres Herrn Gemach!
Er hört's, nicht lange weilt er, vom Lager auf im Flug,
Barfuß, im Nachtrock eilt er und folgt dem holden Zug.

Zuerst, den Tag zu weihen, ins Münster zieht die Schar,
Wo schon in dichten Reihen das Volk versammelt war.
Die Frühmett' ist zu Ende, die Seelen sind erquickt;
Nun hat der Zug behende zum Fest sich angeschickt.

Gleich strömt's in hellen Haufen der nächsten Bude zu,
Die Bürgersfrauen kaufen dem Kaiser ein Paar Schuh';
Und lustig wird dermaßen der edle Herr umringt,
Daß flink er durch die Straßen im Ringeltanze springt.

So ziehen sie im Tanze zum Hohensteg hinauf,
Es nimmt im lichten Glanze der Herberg Saal sie auf;
Gleich spielen auf die Geigen und Hörner schallen drein,
Der Kaiser schwingt im Reigen manch Bürgerstöchterlein.

In Freud' und Festen eilen ihm sieben Tage hin,
Nicht länger darf er weilen, zur Krönung muß er ziehn:
Doch eh' er ist geschieden, da ließ er goldenblank
Dreihundert Ringlein schmieden, den Fraun zu Lieb' und Dank.

»Zum Abschied nehmt's, ihr Holden, und achtet's nicht gering;
Wie eure Finger golden umfaßt jedweder Ring,
Soll eure Söhn' umwinden der Treue festes Band
Und soll sie ewig binden ans deutsche Vaterland!«

            Adolf Stöber.

 

179. Die Reise des Züricher Breitopfs

Dem heitern Morgenrote rief seinen Gruß der Hahn,
Da kam in Zürch ein Bote von Straßburg eilig an.

Ein Schreiben, das er brachte, betraf der Städte Bund;
Doch anders als man dachte schrieb Straßburg kurz und rund:

»Ein Bündnis angetragen habt ihr uns, liebe Herrn;
Uns aber, deutsch zu sagen, brächt's weder Glück noch Stern.

Was würden wir uns nützen, durch weiten Raum getrennt?
Wie könnten wir uns schützen, wenn uns ein Feind berennt?

Drum danken wir der Ehre und stellen uns allein
Mit Gottes Schutz zur Wehre; doch Freunde laßt uns sein!«

Die wackern Schweizer pflogen der Antwort wegen Rat,
Und was sie wohl erwogen, das ward sogleich zur Tat.

Der jüngste Ratmann eilte vom Stadtsaal in sein Haus,
Flog in die Küch' und teilte Befehle darin aus.

»Frau, bring von deinen Töpfen den Riesen dort herbei,
Laß ihn voll Wasser schöpfen und koche Hirsebrei!«

Sie fragte, Neugier zeigend: »Was hast du, Freund, im Sinn?«
Schon aber lief er schweigend zum nahen Strome hin.

»Hallo, gleich segelfertig das schnellste Schiff gemacht,
Und seid sofort gewärtig der ihm bestimmten Fracht!«

Mit jungen Fahrtgesellen, von ihm gewählt im Flug,
Ging's wieder heim, wo Wellen der Brei am Feuer schlug.

Man hub mit raschem Griffe den Topf hinweg vom Brand,
Und trug ihn nach dem Schiffe, das segelfertig stand.

Mit schnellerm Flutgetriebe, als je die Zürcher sahn,
Trug es, der Stadt zur Liebe, die Limmat seine Bahn.

Und zwanzig Ruderflügel, sie flogen ohne Ruh':
So ging's durch Tal und Hügel des Rheines Armen zu.

Der Flußgott nahm geschäftig den ihm vertrauten Kiel
Und führt' ihn hold und kräftig den Weg zu seinem Ziel.

Als trüg' er eine Flocke, vollbracht' er diesen Gang,
Bevor die Abendglocke von Straßburgs Türmen klang.

Der Reichsstadt Bürger waren mit Bogen in der Hand
Vereint in frohen Scharen beim Schützenfest am Strand.

Und selbst des Rates Glieder in feierlicher Tracht
Durchwallten auf und nieder das Feld der Vogelschlacht.

Jetzt kam das Schiff geflogen! Des Breitopfs Riesenbauch,
Schon lang' ein Spiel der Wogen, umfloß noch warmer Hauch.

Darüber gut gelaunet hob man den Topf empor
Und setzt' ihn, rings umstaunet, den fremden Ratsherrn vor.

Der Zürcher sprach: »Wir treiben heut' Scherz mit Ernst vermischt,
Für euer kaltes Schreiben wird warm euch aufgetischt.

Seht, in der Schweiz geboren ward dieses Schaugericht
Und raucht vor Straßburgs Toren euch noch ins Angesicht.

Zürch, das für euch zum Bunde in toter Ferne lag,
Gibt so lebend'ge Kunde, was muntres Volk vermag.«

Der Reichsstadt Bürger standen rings lachend, doch beschämt,
Und selbst die Ratsherrn fanden jetzt ihren Stolz bezähmt.

»Freund,« sprach der Burgemeister, »nun faßt wohl jedes Kind,
Was für entschloßne Geister die braven Zürcher sind.

Der Brief, den wir geschrieben, mach' euch das Herz nicht wund!
Versöhnt laßt euch gelieben den uns erwünschten Bund!«

Drauf Handschlag und Umfangen und brüderlicher Kuß!
Und Jubeltön' erklangen umher dem Bundesschluß.

Nun ward nach deutscher Weise der Becher frisch geleert,
Zugleich als Ehrenspeise der Zürcher Brei verzehrt.

Aufs Wohl der Bundsverwandten floß reichlich goldner Wein,
Dem Zürcher Abgesandten schien's Übermaß zu sein.

Er sprach: »Genug für heute, damit wir gut bestehn
Und nicht als trunkne Leute zu Schiffe taumelnd gehn.

Kein Vorbild sei dies Schwanken für unsern werten Bund!
Der stehe sonder Wanken auf ew'gem Felsengrund!«

So schieden sie und eilig begann nach Zürch die Fahrt;
Der Bundestopf ward heilig in Straßburg aufbewahrt.

            Langbein.

 

180. Der Ring

Es waren einmal drei Reiter gefangen,
Gefangen waren sie.
Sie wurden gefangen und geführet,
Keine Trommel ward dabei gerühret
Im ganzen röm'schen Reich.

Und als sie auf die Brücke kamen,
Was begegnet ihnen allda?
Ein Mädchen jung an Jahren,
Hatte nicht viel Leid erfahren:
»Geh hin und bitte für uns.«

»Und wenn ich für euch bitten tu',
Was hülfe mir denn das?
Ihr zieht in fremde Lande,
Laßt mich armes Mägdelein in Schande,
In Schande laßt ihr mich.«

Das Mägdlein sah sich um und um,
Groß Trauern kam sie an.
Sie ging wohl fort mit Weinen
Zu Straßburg über die Steinen,
Wohl vors Kommandanten Haus:

»Guten Tag, guten Tag, lieber Herr Kommandant,
Ich hab' eine Bitt' an Euch.
Wollet meiner Bitt' gedenken
Und mir die Gefangenen losschenken,
Dazu meinen eignen Schatz.« –

»Ach nein, ach nein, liebes Mägdelein,
Das kann, das darf nicht sein.
Die Gefangenen, die müssen sterben,
Gottes Reich sollen sie ererben,
Dazu die Seligkeit.«

Das Mägdlein sah sich um und um,
Groß Trauern kam sie an.
Sie ging wohl fort mit Weinen
Zu Straßburg über die Steinen,
Wohl vors Gefangenenhaus.

»Guten Tag, du Herzgefangener mein,
Gefangen bleibt ihr allhier,
Ihr Gefangenen, ihr müsset sterben,
Gottes Reich sollt ihr ererben,
Dazu die Seligkeit.«

Was zog sie aus ihrem Schürzelein?
Ein Hemd so weiß wie Schnee:
»Sieh da, du Hübscher und du Feiner,
Du Herzallerliebster und du meiner,
Das soll dein Sterbekleid sein.«

Was zog er von seinem Fingerlein?
Ein goldnes Ringelein:
»Sieh da, du Hübsche und du Feine,
Du Herzallerliebste und du meine,
Das soll mein Denkmal sein.«

»Was soll ich mit dem Ringelein?
Was soll ich damit tun?« –
»Lege du's in deinen Kasten,
Laß es ruhn, laß es risten, laß es rasten
Bis an den Jüngsten Tag.«

            Volkslied.

 

181. Das Alphorn und der Schweizer

Zu Straßburg auf der Schanz,
Da ging mein Trauern an.
Das Alphorn hört' ich drüben wohl anstimmen:
Ins Vaterland mußt' ich hinüberschwimmen!
Das ging nicht an.

Eine Stunde in der Nacht
Sie haben mich gebracht:
Sie führten mich gleich vor des Hauptmanns Haus;
Ach Gott, sie fischten mich im Strome auf,
Mit mir ist's aus.

Frühmorgens um zehn Uhr
Stellt man mich vor das Regiment:
Ich soll da bitten um Pardon,
Und ich bekomm' doch meinen Lohn,
Das weiß ich schon.

Ihr Brüder allzumal,
Heut' seht ihr mich zum letztenmal:
Der Hirtenbub' ist doch nur schuld daran,
Das Alphorn hat mir solches angetan,
Das klag' ich an.

Ihr Brüder alle drei,
Was ich euch bitt', erschießt mich gleich,
Verschont mein junges Leben nicht,
Schießt zu, schießt zu, daß Blut 'rausspritzt,
Das bitt' ich euch.

O Himmelskönig Herr!
Nimm du meine arme Seele dahin,
Nimm sie zu dir in den Himmel ein,
Laß sie ewig bei dir sein
Und vergiß nicht mein.

            Volkslied.

 

182. Münstersage

Am Münsterturm, dem grauen, da sieht man, groß und klein,
Viel Namen eingehauen; geduldig trägt's der Stein.

Einst klomm die luft'gen Schnecken ein Musensohn heran,
Sah aus nach allen Ecken, hub dann zu meißeln an.

Von seinem Schlage knittern die hellen Funken auf,
Den Turm durchfährt ein Zittern vom Grundstein bis zum Knauf.

Da zuckt in seiner Grube Erwins, des Meisters Staub,
Da hallt die Glockenstube, da rauscht manch steinern Laub.

Im großen Bau ein Gären, als wollt' es wunderbar
Aus seinem Stamm gebären, was unvollendet war! –

Der Name war geschrieben, von wenigen gekannt,
Doch ist er stehngeblieben, und längst mit Preis genannt.

Wer ist noch, der sich wundert, daß ihm der Turm erdröhnt,
Dem nun ein halb Jahrhundert die Welt des Schönen tönt?

            Uhland

 

183. Der Deutsche beim Franzosen

Der Deutsche kam zu gasten
Nach Frankreich auch einmal:
Da braucht' er nicht zu fasten,
Gar üppig war das Mahl.

Man gab ihm auch zu trinken,
Und feurig war der Wein.
Die Zunge mußt' ihm hinken,
So schenkte man ihm ein.

Franzosen sind so bieder,
Sehn sie ein leeres Glas,
So füllen sie es wieder
Alsbald mit edelm Naß.

Ein volles Glas zu sehen,
Das fällt dem Deutschen schwer,
Er läßt es nicht vergehen,
Er trinkt es eilends leer.

Das gab den Grund zum Zanken,
In Frieden blieb es nicht:
Zum Wirt, anstatt zu danken,
Der fromme Deutsche spricht:

»Was hilft mich all mein Saufen,
Wenn du gleich wieder schenkst?
Laß mich doch erst verschnaufen,
Eh' du mich wieder tränkst.«

»Was hilft mich all mein Schenken?
Du machst gleich reine Bahn.
Es ist, soll mich's nicht kränken?
Vergebens all' getan.«

Schon schwellt der Zorn die Ader,
Es schürt der Wein die Glut:
Die Liebe ward zum Hader,
Am Ende fließt noch Blut.

Erhoffen wir vom Lose,
Daß sie sich bald verstehn:
Kriegt Deutscher und Franzose,
So muß die Welt vergehn.

            K. S. [Karl Simrock]

 


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