Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Koblenz

79. Wassernot

Zu Koblenz auf der Brücken, da liegt ein tiefer Schnee,
Der Schnee der ist geschmolzen, das Wasser fließt in See.

Es fließt in Liebchens Garten, da wohnet niemand drein,
Ich kann da lange warten, es wehn zwei Bäumelein.

Die sehen mit den Kronen noch aus dem Wasser grün,
Mein Liebchen muß drin wohnen, ich kann nicht zu ihr hin.

Wann Gott mich freundlich grüßet aus blauer Luft und Tal,
Aus diesem Flusse grüßet mein Liebchen mich zumal.

Sie geht nicht auf der Brücken, da gehn viel schöne Fraun,
Sie tun mich viel anblicken, ich mag die nicht anschaun.

            Volkslied.

 

80. S. Ritza

Jenseits Koblenz wohnte Ritza einsam, von der Welt geschieden,
Jenes frommen Ludwigs Tochter, aber frommer noch als dieser.
Immer morgens, wenn die Glocken in St. Castors Kirche riefen,
Schritt sie auf des Rheines Wellen freudig hin, vor Gott zu knien.
Gerne trugen sie die Wellen, denn ihr Herz war reich an Frieden,
Und im gläubigen Gemüte wuchs ihr nur Vertraun und Liebe.
Berge könntet ihr versetzen, hättet ihr Vertraun und Liebe,
Über Meere sicher wandeln, wär' euch Zuversicht beschieden.
Also ging die fromme Ritza, wie auf salz'ger Flut die Kiele,
Und des Rheines Schmeichelwogen freundlich ihren Fuß umspielten,
Trocknen Fußes ging sie täglich nach St. Castor und hinwieder,
Und verdoppelt blickt' ihr Antlitz aus des Stromes glattem Spiegel.

Aber einst, da wild gehoben war die Flut, und Stürme bliesen,
Wollte Zagen sie beschleichen, Zweifel ihren Mut besiegen.
Standen Reben da am Ufer, sich um Kieferpfähle schmiegend,
Riß sie einen aus der Erde, daß er ihr zum Stabe diene;
Setzt den Fuß dann auf die Welle, und die Welle will sie wiegen,
Aber nur dem Pfahl vertrauend hält sie ängstlich sich an diesen:
Sieh, da sinkt ihr Fuß zu Grunde und der Stab versagt die Dienste,
Wasser spült um Knie und Hüfte und noch sinkt sie tief und tiefer.

Da in Todesnöten dachte sie des Heilands, der gebieten
Kann dem Sturme, sich zu legen, und der Flut, gemach zu fließen.
Aus den hoch gehobnen Händen schleudert sie den Schaft der Kiefer,
Streckt sie flehend zum Erlöser, neues Glaubens voll, und siehe,
Wieder heben sie die Wogen, und der wilden Flut einstiegen
Tritt sie mit dem Fuß die Welle, schreitet fürder triumphierend
Und gestärkt im Glaubensmute naht sie bald dem sichern Ziele.

In St. Castor wirkt noch Wunder was der Welt von ihr geblieben;
In der Schar der Sel'gen Gottes ist der Stuhl ihr angewiesen.

            K. S. [Karl Simrock]

 

81. Korporal Spohn

Man kennt in Koblenz und im Tal
Noch Spohn, den großen Korporal.

Was tat der Spohn, daß man ihn kennt?
Verdient er wohl ein Monument?

Der Spohn war ein getreuer Mann,
Getreuern niemand finden kann.

Seinem Kaiser diente treu der Spohn;
Sein Kaiser hieß Napoleon.

Der hatt' in der Dreikaiserschlacht
Sich vorgewagt mit Unbedacht.

Da ward er plötzlich angesprengt,
Von Feinden rechts und links bedrängt.

Kosaken sind's; auf schnellem Roß
Entflieht der Kaiser vor dem Troß.

Hier aber hemmt Gebüsch den Ritt:
Der Kaiser ist des Lebens quitt.

Das sah der Spohn, der war nicht faul:
»Herr Kaiser,« rief er, »mir den Gaul,

Mir den berühmten, eck'gen Hut:
Flieht, Eure Rolle spiel' ich gut.«

Zur Erde sprang Napoleon,
Auf seinem Schimmel saß der Spohn.

Den eck'gen Hut wohl auf dem Haupt;
Der Feind sich nicht betrogen glaubt.

Er sprengt heran und jauchzt dem Fang,
Und sieht zu spät, daß er mißlang.

Als sie den Korporal nur schaun,
Da ward der Spohn zusammengehaun.

Der Kaiser lief in schnellem Lauf,
Hatt' einen Korporalshut auf.

Von dieser Zeit, hört' ich einmal,
Hieß er der kleine Korporal.

Der große Korporal war Spohn,
War größer als Napoleon.

            K. S. [Karl Simrock]

 

82. Heinrich und Berta

»Der Lenz weht an den Bergen hin,
Lacht aus des Himmels Bläue:
Ach, Heinrich, mahnt dich nicht dein Sinn?
Dein harret die Getreue.
Du klarer Strom, du blickst so gut:
Welch feige Furcht! Es darf der Flut
    Die Liebe kühn vertrauen.«

Und in dem Nachen stand sie bald,
Der Fährmann lenkt das Steuer:
Das Segel frisch im Winde wallt;
Im Aug' des Herzens Feuer,
Fliegt sie vorbei der Höhen Kranz
Hinab im leichten Wellentanz,
    Hinab die Schmeichelwogen.

Wo frei die Mosel, eine Braut,
Dem Rhein entgegeneilet,
Ist eine Brücke stolz erbaut:
Da war's, wo Heinrich weilet.
Da stand er sinnend früh und spät,
Sein Blick zur trauten Ferne späht,
    Wo seine Berta wohnet.

Und wie er weithin schaut den Kahn,
Und sieht das Mägdlein prangen,
Haucht's ihn mit Ahnungswonnen an,
Heiß brennen seine Wangen.
Die Holde hat er jetzt erkannt,
Ach! Erd' und Himmel floh und schwand
    Vor des Entzückten Sinnen.

Welch sel'ger Willkomm hin und her!
Welch Grüßen, süßes Winken!
Der Jungfrau Herz trägt es nicht mehr,
Die vollen Tränen sinken.
Die Schiffer staunen still, gebannt,
Das Ruder fällt aus ihrer Hand,
    Der Nachen spielend treibet.

O weh! o weh! o habet acht,
Ihr lässigen Gesellen!
Schon fasset euch des Strudels Macht,
Das Schiff wird euch zerschellen.
Hilf, Himmel, rett uns aus der Not!
Hart an den Felsen prallt das Boot,
    Zerkracht im Umsturz kreisend.

Ein jäher Angstruf scholl empor,
Scholl von dem Ufer wieder.
Der dumpfe Abgrund rauscht' und gor,
Riß seine Beute nieder.
Die Jungfrau aus der tück'schen Gruft
Schaut bleich hinauf und sinkt und ruft
    Des teuern Jünglings Namen.

Dem schnüret das Entsetzen kalt
Die treue Brust zusammen,
Er fühlt der Liebe Allgewalt
Und der Verzweiflung Flammen.
Und sturmschnell mit entschloßnem Mut
Schwingt er sich in die dräunde Flut
    Hoch von der Brücke Rande.

Und glücklich nahet er dem Strand,
Sein Lieb in starken Armen;
Der Ohnmacht Todesschlummer schwand,
Sie muß an ihm erwarmen;
Sie schlägt die Wimpern auf, erblickt
Gerettet sich, und sieht entzückt
    Ach! Heinrich, ihren Retter.

Wie glühen beide, Brust an Brust,
Im trunknen Herzen Himmel!
Ein jedes Auge schwimmt in Lust,
Laut jauchzt des Volks Gewimmel:
Und Segen ruft ein jeder Mund
So treuer Seelen heil'gem Bund
    Und preist die hohe Minne.

            Fr. Oebecke.

 


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