Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Bornhofen

86. Die feindlichen Brüder

Oben auf der Bergesspitze liegt das Schloß in Nacht gehüllt,
Doch im Tale leuchten Blitze, helle Schwerter klirren wild.

Das sind Brüder, die dort fechten grimmen Zweikampf, wutentbrannt:
Sprich, warum die Brüder rechten mit dem Schwerte in der Hand?

Gräfin Lauras Augenfunkeln zündete den Bruderstreit,
Beide glühen liebestrunken für die adlig holde Maid.

Welchem aber von den beiden wendet sich ihr Herze zu?
Kein Ergrübeln kann's entscheiden: Schwert heraus, entscheide du!

Und sie fechten kühn verwegen, Hieb auf Hiebe niederkracht's.
Hütet euch, ihr wilden Degen, grausig Blendwerk schleichet nachts!

Wehe! wehe! blut'ge Brüder! Wehe! wehe! blut'ges Tal!
Beide Kämpfer stürzen nieder, einer in des andern Stahl.

Viel Jahrhunderte verwehen, viel Geschlechter deckt das Grab,
Traurig von des Berges Höhen blickt das öde Schloß herab.

Aber nachts im Talesgrunde wandelt's heimlich, wunderbar:
Wenn da kommt die zwölfte Stunde, kämpfet dort das Brüderpaar.

            H. Heine.

 

87. Die Brüder

Seht die gewaltigen Trümmer nur an, wie mit Stolz auf die armen
Hütten sie sehn, die der Winzer zum Hohn, wie ein Nest an der Mauern
Rauchige Seiten geklebt, mit Gestrüpp und des dorrenden Efeus
Reger Verwildrung durchwebt. »Ja, traurig ist wahrlich der Anblick,«
Sagte der Schiffer, »doch dort geschahen auch traurige Taten.
Droben die Burgen besaß vorzeiten ein mannlicher Ritter,
Stolz und gefürchtet am Rhein, und so reich, daß ihm keiner zu schätzen
So unzählbares Gut sich getraute. Doch kam auch sein Stündlein,
Und was mit Unrecht und Recht er alles erworben, das teilten,
Längst schon begierig des Erbes, die beiden Söhne. Nicht Brüder
Schienen sie da; auch die Schwester, die blind von den frühesten Jahren
Lebte beim Vater, doch fromm und in sich gekehrt, die betrogen
Jene mit böslicher List: denn als sie in Scheffeln des Goldes
Haufen nun maßen, da wandten sie jedesmal, wenn es die Schwester
Traf, das gehöhlete Maß, und ließen das oben belegte
Von der Erblindeten tasten. So lachten sie heimlich des Truges.
Doch mit dem wenigen war der Segen des Himmels, denn ihm ward
Alles geweiht; drei Orte der Andacht stiftete jene,
Heilig in kommender Zeit noch geehrt: Bornhofen und Kidrich
Und wo einst »Not Gottes!« im Baum die Stimme gerufen.
Glaubet nur nicht, daß immer auch viel euch zum Nutzen gedeihe:
Gier nach mehrerem bringt nur Streit und Hader: die Brüder
Wurden zuerst um Äcker und Gut, um Waldung und Weinberg
Uneins, aber zuletzt (o wie töricht) sogar um ein Weiblein.
Und sie befeindeten sich, zerstörten einander die Burgen,
Töteten endlich sich selbst mit mördrischen Händen; die Güter
Nahmen die Nachbarn, und also erfüllt auch hier sich das Sprichwort:
»Unrecht Gut kommt schwer an den dritten Erben.« So sagte
Niklas der Schiffer, und alle betrachteten lang' die Ruinen,
Welche so traurig und öd' fluchwürdige Taten verkünden.

            G. T. Braun.

 


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