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61

Während im königlichen Schlafgemach die Würfel so überaus günstig für Hal fielen, traf er sich mit Arbella in der Fasanerie. Ein kurzer dunkler Brief von ihm hatte sie hinbestellt. Früher als er war sie gekommen und fütterte Tauben, als er mit raschen Schritten nahte. Noch immer war er ungekämmt, unrasiert, ungewaschen. Sie erschrak unsäglich.

»Wo bist du gewesen, Hal?«

»Beim Verhängnis ... Für mein Wams war es verhängnisvoll ... Das Schicksal ist ein halsstarriger Engel, Harpy! ...«

»Ist das da Blut?«

»Nein, Himbeergelee, roter Dicksaft. Nichts weiter.«

»Um's Himmels willen! wie siehst du aus, Hal!« »Nicht wahr? Du bist entsetzt über mich? ... Sage mir ehrlich, Harpy, könntest du mich noch lieben, wenn ich ein Schornsteinfeger wäre?«

»Ja, Hal.«

»Auch wenn ich ein Neger wäre?«

»Ich liebe dich, Hal, wer du auch seist.«

»Doch wenn ich ein Gorilla wäre?«

»Ich liebe deine wunde Seele, Hal!«

»Du denkst fehlerhaft, Harpy. Dir fehlt es an Standeshochmut. Edlen Wein soll man nicht mit saurem mischen. Es spazieren zu viele Maulesel, Mulatten und Affenkinder in der Welt herum. Würdest du Lachtauben, Kropftauben und Pfauentauben in einen Taubenschlag tun?«

»Das ist Sache der Taubenzüchter, Hal.«

»Ich möchte ein Menschenzüchter werden, Harpy. Mit mir möchte ich den Anfang machen, mich selbst hinaufzüchten. Auf Blut ist kein Verlaß. Nur Zucht kann züchten. Vielleicht habe ich Talent, ein Prinz zu werden. Vielleicht habe ich Talent, ein Mensch zu werden, – nicht nur ein Prinz zu sein ... Mein Herr Vater, zum Beispiel, hat königlichen Himbeergelee in den Adern: stammt er von König Darnley oder vom Schreiber Rizzio ab? Warum kann er das Schreiben, das Bücherschreiben, nicht lassen? ...«

»Es würgt mich an der Kehle, dich so reden zu hören! Was ist mit dir geschehn, Hal?«

»Nichts, Harpy. Ich wollte dir mein Krönlein schenken, meine kleine Krone von Wales. Aber ich habe sie nicht mehr. Ich habe sie verloren.«

»Verloren? ... Wo?«

»Wo sie ist, fragst du? ... Beim goldenen Fisch, der uns damals belauscht hat, – weißt du noch? ... Sie schrie ganz leise, als sie ins Wasser fiel. Ich habe sie weggeworfen.«

»Willst du mich wegwerfen, Hal? ... Ich tat dir nichts zuleide, Hal! Warum tust du mir das an?«

»Weil ich mein Krönchen verlor ... Ach, Harpy, Harpy, ich bin ein Lügner und Schwindler! Glaube meinen Worten nicht, – glaube nur meinen Küssen!«

Sie flog ihm in die Arme. Er riß sie an sich. Er saugte sich fest an ihren Mund, als gelte es, für ewig Abschied zu nehmen. Raserei war ihr Küssen, selig und schmerzenvoll.

»Wir fanden uns wieder, Hal!«

»Fand ich mich wieder? ... Ach, ich möchte der Prinz deines Herzens bleiben! ... Ich bin ein Pechvogel, Harpy: Den Hosenbandorden verlor ich auch. Bloß deine Liebe möchte ich mit auf die Reise nehmen.«

»Auf welche Reise?«

»Eine Seefahrt durch die Tavernen Londons. Manche werden seekrank davon. Onkel Christian ist ein wetterfester Navigator und versteht es, zwischen Kliffen, Riffen und Meermaiden hindurchzusteuern. Er hat mich eingeladen, sein Reisegefährte zu sein – – –«


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