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Ein Page trat ein und meldete Mistris Turner. Car ließ sie hereinbitten. William Fowler empfahl sich.

Mit der ockergelben, mäandrisch gefalteten, großen Halskrause und einem koketten weißen Häubchen auf dem flachsblonden Seidenhaar konnte die Putzmacherin trotz ihrer vierzig Jahre noch immer für eine verführerische, wenn auch etwas fette Madonna gelten. Ohne viel Umstände griff Car mit beiden Händen an ihre Schläfen, bog ihren Kopf nach hinten und trank lange einen Kuß von ihren Lippen, als schlürfte er an einem Becher.

»Du schmeckst gut, süße Ente!«

Sie wehrte sich nicht. Seine Hörige war sie. Verknechtet zu sein war ihr Los, an Knechtseligkeit hatte sie von Jugend an gelitten. Sie hatte Henry, Earl of Northampton, angehört und seine Peitsche gesegnet. Sie war die Hörige des Kindes Frances gewesen; nicht nur vor der Doppelhochzeit; – auch heute noch fühlte sie sich als ihre Sklavin; – wie sie ja auch nie aufgehört hatte, die demütige Magd Northampton's zu sein. Sie war – ein Jahrzehnt lag das zurück – die Leibeigene des vom Hof geächteten Sir Gervaise Helways geworden und wäre es geblieben, hätte er nicht – kurz vor seiner Amerikafahrt – sich an ihrem Nähmädchen Alison Loring (der Schwester Habakuk's) vergriffen; das hatte das Band der geschlechtlichen Abhängigkeit zerrissen ( – aber nicht ein anderes, unzerreißbares Band, das die Apothekerswitwe an den Dieb von Hampton Court kettete ...).

Bevor Northampton den zum Idol Ausersehenen zu sich in seinen Palast genommen hatte, war Car eine kurze Zeit im einstigen Karmeliterinnenkloster untergebracht worden. Damals hatte er Ann Turner sich versklavt. So untertänig war sie, so selbstlos mit Leib und Seele die Seine, daß sie ihm eine Geliebte zuführte, eine Günstlingin beider Majestäten, eine Löwin der Hofbälle, eine Peereß, deren Liebreiz, deren unermeßliche Reichtümer Gewähr dafür sein konnten, daß ihr Glanz den Glanz seiner Günstlingslaufbahn vermehren werde. Als sie, in der »Kammer der bösen Puppen« ihre kleine Freundin Frances Essex gelehrt hatte, mit der brennenden Kerze wächserne Herzen zu schmelzen, war das Urbild der schönsten Puppe aus dem sich teilenden Vorhang getreten und vor die Füße der zwei Zauberinnen hingesunken.

Die in jener Stunde begonnene Kuppelei hatte Ann Turner lange unterbrechen müssen. Heute nun – einen Tag vor Car's Erhöhung zum Peer – kam sie, den Faden fortzuspinnen.

Sie brachte das Gespräch auf Frances, deren Kindheit sie überwacht hatte. Sie berichtete von Mädchenstreichen, von reizenden Keckheiten der Kleinen. Schon als Zehnjährige schmiedete Frances mit Altersgenossinnen ein Komplott, den allmächtigen Lord Cecil zu ermorden, weil er einen Beau des Hofes, einen nichtsnutzigen jungen Lord, mit Matrosendienst gestraft hatte. Dolche in den Kleiderärmeln bergend, lauerten die fünf Verschwörerinnen Cecil auf. Er wäre der Erdolchung durch die Kinder nicht entgangen, hätte er nicht, – vom Plan unterrichtet – ihnen mit unbändigem, entwaffnendem Lachen fünf weiße Lilien geschenkt und der Rädelsführerin Frances eine Diamantbrosche.

Ja, solch eine war Frances von Kindesbeinen an! Man konnte ihr nicht böse sein, was sie auch tat. Diamanten erhielt sie, wo andere Schelte geerntet hätten ...

Und Mistris Turner zählte die Juwelen auf, die Frances besaß und die sie einst erben werde, und sie erzählte Wunderdinge von den Latifundien und Schlössern der Howards. Sie beschrieb, wie umschwärmt Lady Essex bei Hofe sei, und nannte eine Anzahl Lords, die sich an den Muschelwagen der jungen Göttin hatten anschirren lassen ...

»Frances ist die Frau, die Ihnen not tut, Robert. Und sie liebt Sie.«

»Was nützt mir das, süße Ente. Ins Bett kommt man leichter als vor den Altar. Lady Essex hat doch einen Mann.«

»Einen Gatten, Robert, aber keinen Mann! Kniff nach Italien aus, – hätte seiner Gesundheit schaden können, beim lieben Ding zu liegen! ... Frances will sich scheiden lassen, sobald sich ein anderer findet.«

»Ziehn nicht zwanzig Peers an ihrem Wagen?«

»Niemand außer Ihnen, Robert, besitzt ihr Herz! ... Aber, Sie dürfen die Lady nicht so schlecht behandeln, wie bisher, Robert, – sonst – – –«

»Behandle ich die Lady schlecht? Ich behandle die Lady überhaupt nicht ... Oh! Ich würde die Lady schon behandeln! ...«

»Sie hat oft versucht, durchs Fenster mit Ihnen zu sprechen.«

»Gott verdamme mich! ... Die Nymphe Echo?!!«

»Jawohl, die arme Echo! ... Und Sie haben ihr Schimpfworte nachgerufen! Eine Drecksau haben Sie sie genannt!«

»Verdammt! Wie konnte ich ahnen ... Und wenn man aus dem besten Schlaf geweckt wird! ... Na, tut nichts. Ich werde sie wieder aussöhnen, ich verstehe mich darauf. Im Bett ist alles wett ... Und nun raten Sie mir, liebe Ente, –: womit kann ich der Lady eine Freude machen?«

»Werden Sie ein Feind des Prinzen Hal. Verdrängen Sie ihn aus dem Herzen seines Vaters. Erreichen Sie, daß der König Sie, Robert, wie einen Sohn liebt – mehr als den eigenen Sohn.«

»Schön. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Soll mich freuen ... Wenn es aber die kleine Lady freut, so liebt sie den Prinzen, – oder sie hat ihn geliebt.«

»Vor vier Jahren – oder wann war es? – löschte er ihr brennendes Kleid. Damals wußte die Kleine gar nicht, was lieben heißt. Das Haus Howard allerdings schöpfte Hoffnungen – – –«

»Sind die Howards verrückt? Lady Essex ist doch keine Prinzessin!«

»War Catherine Howard eine? oder ihre Leidensgefährtinnen Anne Boleyn und Jane Grey? ... Mit den Fürstenfamilien von Toscana und Savoyen können es die Howards allemal aufnehmen. Verzichtet auf ihre kühnen Träume haben sie erst neuerdings, seitdem der Prinz die Infanta heiraten will.«

»Will er? und der Lady Arbella den Laufpaß geben? ... Du schwindelst, meine süße Ente! Weil er Lady Arbella liebt, haßt ihn Lady Frances!«

»Bei Gott, das ist ein Irrtum, Robert! Ich kenne doch meine Frances! Ihr Brautkleid hatte er gelöscht, und eine Zeitlang machte es ihr ein kindisches Vergnügen, daß er sie anglotzte. Warum auch nicht? Nasrümpfend ließ sie sich's gefallen, wie eine Taube, vor der der Täuberich Verbeugungen macht; und sie lachte sich zu Tode über ihn, wenn sie mit mir allein war ... Aber glauben Sie, Robert, daß sie ihm ein einziges Mal zurückgeäugelt hat? – nie, nie! ich schwöre es bei meiner Seele Seligkeit! ... Gründlich satt hatte sie bald sein stummes Anglotzen und war froh, als er enttäuscht und entmutigt von ihr, seine keuschen Augen auf die Rothaarige warf ... Nein, Frances hat bessere Gründe, ihn zu hassen.«

»Und Vordergründe haben Hintergründe ... Doch laß hören.«

»Der Prinz ist der Todfeind des Hauses Howard. Der Prinz hat seinen Vater, den König, abhalten wollen, Suffolk zum Nachfolger Cecil's zu ernennen. Über Lord Northampton, der doch ein Pate und Onkel der Lady Frances ist, spricht der Prinz abschätzig und sucht ihm zu schaden, wo er nur kann. Sein Freund Sir Thomas Overbury unterstützt ihn darin, hetzt ihn gar auf ...«

»Wirklich, liebe Ente? Overbury? – Warum denn?«

»Weil Lord Northampton seit jeher der Beschützer meines Gatten gewesen ist, und weil mein Gatte den Schwager Overbury's im Duell auf der Themse getötet hat ... Seit der Pulververschwörung stehn die Howards so fest in der Gunst Seiner Majestät, daß sie sich bisher über die Anfeindungen des Thronfolgers hinwegsetzen konnten ... Aber vor ein paar Tagen hat der Prinz etwas getan, was unserm lieben alten Earl schlaflose Nächte bereitet.«

»Der alte Dickwanst schläft zu viel bei schönen Frauen. Ein wenig Fasten wird ihn vom Fett befreien ... Was ist denn geschehn?«

»In Vertretung seines Vaters war der Prinz in Dover, zwei eben fertig gebaute Kriegsschiffe zu besichtigen. Er prüfte nicht nur die Kanonen, er prüfte auch die Schiffspapiere und Abrechnungen ... Na, kurz und gut, er entdeckte Unregelmäßigkeiten ...«

»Verdammt! ... Können so dicke Finger auch lang sein? Hat Northampton nötig, sich an Staatsgeldern zu vergreifen?«

»Sein Unglück ist sein gutes Herz, Robert! Er hat gutmütig durch die Finger gesehn, wenn seine Untergebenen sich bereicherten. Aber freilich als erster Lord der Admiralität trägt er allein die Verantwortung für die Unterschleife ... Der Prinz nahm eins der Papiere an sich.«

»Der alte Schmeichelkater hätte es ihm abschmeicheln sollen ...«

»Er versuchte es. Weil es nicht gelang, wollte er den Prinzen betrunken und geil machen, ihn in den siebenten Himmel führen, um dann dem sinnlos Berauschten das gefährliche Schriftstück abzulisten. Doch der Prinz wurde gewarnt und war auf der Hut. Nachdem in der Offizierskabine das Abendessen eingenommen war, sollte auf dem oberen Deck – während die Nacht hereinbrach – ein wüstes Gezeche losgehn. Als der Prinz die Schiffstreppe emporstieg, sah er, daß im Takelwerk, auf den Raen und Segelstangen bis hinauf zum Mastkorb nackte Mädchen saßen, standen, sich schaukelten und hingen. Lord Northampton hatte die splitternackten Fräuleins vom Bürgermeister der Stadt Dover angefordert ... Doch den Prinzen in Rausch und Taumel zu versetzen, glückte nicht. Er trank weder vom rheinischen Wein noch von den Mädchen, reichte dem Earl und den Schiffsoffizieren die Hand zum Kusse hin und ging an Land.«

»Feigling! Ich hätte es anders gemacht, liebe Ente: ich hätte die Balldamen zum Tanz aufgefordert und hätte mir mit dem Schriftstück eine Tabakspfeife angezündet.«

»Er hat es behalten – und das ist schlimm für unsern lieben Alten ... – oder wäre schlimm, hätten wir nicht ein Mittel an der Hand, den Mund des Prinzen zuzunähen mit einem starken Zwirn – – –«

Mistris Turner wurde unterbrochen. Ein Page meldete Overbury.


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