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5

Dort in Wardour Castle erfolgte auch die erste Wiederbegegnung des Königs mit der so streng aus seinem Gesichtskreis verbannten Mondgöttin Diana und einer ihrer Jagdgenossinnen.

Nachdem die im Hause angehäuften Kunstschätze besichtigt waren, führte der Schloßherr seine Gäste in den Garten zu den aus Italien und Griechenland mitgebrachten Skulpturen. Wie milchweiße Baumstämme eines entlaubten Wäldchens wuchsen die Statuen aus dem Erdboden empor. Seine Marmorherrlichkeiten zuletzt zeigend, hoffte Arundel die bisherigen überwältigenden Eindrücke übergipfeln zu können.

»Auferstehung der Toten!« flüsterte Lord Bacon dem Gesandten Venedigs Foscarini ins Ohr, auf die aus dem Grase steigenden bleichen Gestalten zeigend.

Die Sonne ging eben unter. Der Westhimmel blutete. Die klare Abendluft war durchstrahlt von Rubinlicht: alle Gegenstände und alle Gesichter erschimmerten rötlich. Wie von Adern durchflossen, belebte sich das tote Weiß der Marmorbildnisse. Rubinlicht überhauchte den Marmor mit Fleischfarbe.

Als Pembroke's Schwägerin, Susan Countess of Montgomery, splitternackte fleischfarbene Männerkörper aus dem Rasen emporragen sah, hielt sie's für angemessen, aufzuschreien, in Ohnmacht zu fallen und sich wie leblos ins Schloß tragen zu lassen. Obgleich eine der jüngsten, anmutigsten und heitersten Hofdamen, stand Lady Susan im Geruch, Pietistin zu sein. Ein von ihr verfaßtes Buch hieß: »Eusebia oder die Gewänder der betenden Seele.«

Nicht einmal die Seele konnte sie sich ohne Gewänder denken.

Die unwahrscheinliche Ohnmacht reizte die unschöne und schwachsinnige Lady Pembroke eine herausfordernde Furchtlosigkeit an den Tag zu legen, – zum Leidwesen ihres Gatten, dem ihr Benehmen das Herz abdrückte. Von seiner Verschwendungssucht an den Rand des Abgrunds gebracht, hatte der glänzende, allzu glänzende Pembroke, Shakespeare's Freund und Haupt der protestantischen Partei, keinen andern Ausweg gehabt, als beim reichen katholischen Lord Gilbert Talbot, Earl of Shrewsbury, um die Hand seiner noch ledigen Tochter Mary anzuhalten, ( – welche die häßliche ältere Schwester der hübschen Lady Arundel war). Durch die unselige Ehe war der Führer der Protestanten auch ein Schwager des papistischen Lord Maltravers geworden ...

Lady Pembroke nun, – um zu beweisen, daß sie vor nackten Männern nicht in Ohnmacht falle, – kletterte an einem Faun empor und tätschelte ihm die Wangen, einem Apollo hängte sie eine Rose ans Ohr, einem Eros gab sie einen Nasenstüber, einen Hermes küßte sie auf die Schulter. Es wurde belacht, und das trieb sie zu immer neuem Schabernack an. Schließlich umtanzte sie die Marmorbilder auf eine affenhafte groteske Weise. So tanzend entrückte sie immer mehr den Augen der übrigen Gäste und gelangte zu den am weitesten entfernten Statuen. Als sie die letzte erreicht hatte, kreischte sie auf.

Sämtliche Blicke richteten sich auf sie, – niemand wußte, ob sie vor Übermut oder aus Angst geschrien hatte.

Jedoch sie floh nicht. Mit ihrem buntbebänderten Hirtinnenstab schlug sie den Gott, walkte sie ihn erbarmungslos.

Etwas Unfaßbares geschah. Eine große Wolke weißen Staubes wirbelte bei jedem Schlag empor. Der Gott winselte. Der Gott bewegte sich, wollte mit seinen Händen die Schläge abwehren. Und plötzlich lief der Gott mit rasender Geschwindigkeit davon und entschwand im Unterholz des Parkes.

Wenn es kein Gott war, so konnte es nur ein Vagabund sein, der uneingeladen sich Zutritt verschafft hatte. Wem zuliebe aber hatte er als Bildsäule unter Bildsäulen gestanden? Wen hatte er zu täuschen gehofft mit der Kreidebemalung?

Arundel's berühmter Hund Bungey wurde auf die Spur gehetzt. Mit gutem Erfolg. Doch nicht bloß einen Vagabunden brachte er zurück, sondern gleich zwei.

»Kennen Sie den Alexanderroman des Messire Aubry de Besançon?« flüsterte Bacon seinem Freunde Foscarini ins Ohr.

»Nein, mein Lord. Warum?«

»Alexander kommt auf die Wiese der Blumenmädchen. Wo er nur hinblickt, wo er nur hintritt, überall öffnet sich ein Blumenkelch und daraus taucht eine Mädchengestalt, die sehnsüchtig die Arme nach ihm ausstreckt. Der arme Alexander kann sich gar nicht retten vor den holden Maiden – unwirsch mit gepanzerten Fäusten bahnt er sich den Weg ...«

Prachtvoll abgerichtet zum Menschenfang war der große Hund Bungey. Er biß seine Beute nie, er umkreiste sie bellend und in die Luft schnappend. Ihm zu entkommen war unmöglich.

Die von ihm jetzt näher und näher Herangetriebenen waren Sir William Monson und Sir Arthur Brett. Zwei zerzauste, schweißtriefende Pierrots, zwei Jammerbilder.

Was sie erhofft hatten, war, trotz aller Fragen, nicht aus ihnen herauszubekommen. Nur mutmaßen ließ es sich: Verbannt aus Whitehall, hatten sie sich hier eingeschlichen, um ihre Wohlgestalt, ihre unwiderstehliche Schönheit in Erinnerung zu bringen ...

Und beinah hätten sie jetzt – so kreidig, dreckig und zerzaust wie sie waren – ihr Ziel erreicht. Ihre Leichenbittermienen entdüsterten sich, denn ein mitleidiger Blick Seiner Majestät ruhte auf ihnen. Ja, Seine Majestät entsann sich offenbar Diana's und der lieblichsten ihrer Jägerinnen. Seine Majestät wollte sich nicht wie Alexander mit gepanzerten Fäusten einen Weg bahnen ...

Da aber trat Lady Suffolk an James heran und überreichte ihm Blumen. Es waren Narzissen.

»Hoc signum Dei est!« murmelte James, den Strauß in Empfang nehmend. Beglückt, gleichsam befreit, atmete er den Narzissenduft ein. Und dann plötzlich schrie er brutal die zwei süß lächelnden Bleichwangen an:

»Donner und Blitz! Nescio vos! Mir aus den Augen!«

Wie Galeerensträflinge wurden sie zum Schloß hinausgeführt.


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