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16

Rot färbte die untergehende Sonne in Whitehall's Park den kleinen Schilfteich, an welchem tags darauf Overbury saß, schwermütig in das gläserne, gespiegelte Abendrot starrend. Frösche quakten und sprangen, ein Specht pochte an einer Baumrinde. Da setzte sich das junge Hoffräulein Oriana Leyburne neben ihn. Sie hatte einen kleinen Laubfrosch gefangen und ließ ihn an ihren milchweißen Fingern wie an Sprossen einer Leiter emporklimmen. Leicht mußte sie wohl sein, daß sie so unhörbar leise herangekommen war. Verwundert sah Overbury sie an. Eigentlich kannte er sie kaum. Was störte sie seine heilige Einsamkeit?

Aber es war doch, wie wenn seine Seele leise gestreichelt würde, als dies junge Ding neben ihm anfing, nach dem Grund seiner Schwermut zu fragen. Mochte er sich sträuben, – still und fest schob sie von seinem Herzen den Riegel fort. Da ergoß sich aus seinem übervollen Herzen die angestaute Flut der Trauer. Er malte ihr sein Leiden an Robert Car –: wie ein Schamgefühl ihn gehindert hatte, die Retterhand dem Freund zu reichen. Er verzieh sich seine Lieblosigkeit nicht, und erst recht nicht seine unheilige Liebe.

Durch die Schleierhüllen seiner Beichte hindurch sah das junge Mädchen die Wahrheit. Unerschrocken lachte sie:

»Sind Sie ein schwarzer Hugenotte? Ein Puritaner?«

Verdutzt blitzte sein Auge sie an. Sie hatte ja Geist, die Kleine .. Und Geist hatte im damaligen England nur, wer im geheimen katholisch gesinnt war ...

»Nichts auf dem Erdenrund hasse ich so wie die Puritaner, Lady.«

»Warum?«

»Weil sie die Rosen und Lilien ausrotten wollen, um Roggen zu pflanzen; – man kann ja Rosen und Lilien nicht essen.«

»Das ist es, Sir Thomas! Auch ein Knabe kann einen Knaben nicht heiraten. Ist es darum ein Verbrechen, mit heißem Blick Rosen und Lilien zu betrachten und anzubeten? Darf ich mich in meinen kleinen hübschen Laubfrosch nicht verlieben? Oder in den strahlenden Abendstern? ... Je unerreichbarer die sind, um so edler und sauberer ist doch die Liebe.«

»So dachten die Griechen, Oriana. Aber die waren Heiden.«

»Dann bin ich ein Heidenmädchen, Sir Thomas.«

»Ich möchte ein Heide werden, Lady Oriana. Ich möchte der Laubfrosch sein, dem Sie eben die Freiheit schenkten. Sie könnten mich frei machen ...«

»Und würde es mich nicht die Freiheit kosten, Sir Thomas?«

Sie wollte aufspringen. Er hielt sie fest und küßte sie.


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