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Auf eine weiß gestrichene Holzbank neben der großen Terrassentreppe setzte sich Arbella. Auf die Stufen fiel ein Lichtschimmer aus den erhellten Palastfenstern; um so dunkler war es neben der Treppe, wo Arbella saß. Dort glaubte sie sich vor neugierigen Blicken geborgen.

Doch lange mit ihrem Schmerz allein zu sein, war ihr nicht vergönnt. Der alte Hofnarr Archie Armstrong schlich heran, legte sich stumm vor sie hin und lehnte seinen Kopf an ihre Knie. Entsetzt über die freche Zudringlichkeit wollte sie aufspringen. Da seufzte er so unsäglich traurig auf, daß es ihr schwer wurde, dem alten Mann weh zu tun. Sie blieb sitzen.

»Ist es wahr, Gevatterin, daß die Kolibris unsterblich sind und im Winter schlafen?«

»Wie kann ich das wissen, Archie?«

»Ihr Winterschlaf ist nämlich Sommerschlaf von wegen des Äquators ... Wäre es nicht schön, Gevatterin, solch ein schlafender Kolibri zu sein?«

»O ja, schön wäre es ... Winter und Sommer hindurch, immerwährend und ohne Träume ...«

»Ich kann dir nicht helfen, Gevatterin, mir selbst kann ich ja nicht helfen ... Aber ein Federkleid muß ich mir kaufen; – denn was soll mir mein Narrenkleid noch!«

»Auch ich trage ein Narrenkleid, Archie, und möchte es abwerfen. Und möchte Flügel haben und fliegen, immerzu fliegen.«

»Wo?«

»Das verrate ich dir nicht, Archie ... Dort, wo viele herumflattern ... Warum aber hast du dein Lachen satt?«

»Weil ich übertrumpft bin wie ein Caro-Bube von einem Pik-Buben! ... Da – hörst du das Gewieher, Gevatterin? Hörst du, wie sie meinen Nachfolger belachen? So sind meine besten Witze nicht belacht worden! ... Und weißt du, warum das Gegröl? Weil Jimmy Zissy erlaubt hat, seine Wette zu gewinnen.«

»Welche Wette, Archie?«

»Daß sich jede Lady von Zissy küssen lassen wird. Das ist ein Witz – aber ein schlechter! Ohne Gehirnschmalz, ohne Salz und Pfeffer! ... Ich kann's doch beurteilen, was ein guter Witz ist.«

»Was ist ein guter Witz, Archie?«

»Nun z.B. wenn Hamlet, Prinz von Dänemark, zu Lady Essex sagen würde: geh in die Apotheke, Ophelia! – was willst du Kinder gebären!«

»Das ist ein giftiger Witz, Archie!«

»Und soll ich nicht giftig sein, wenn ein Witzloser mich alten Narren übernarrt und Lacherfolge einheimst, – womit? Mit Schmatzen! ... Pfui Teufel, ich hätte mich zu gut dafür gehalten!«

»Und halten sich die Ladies nicht zu gut dafür?«

»Du bist von vorgestern, Gevatterin! Kennst du noch immer unsere Ladies nicht? Wie Wespen um Zucker balgen sie sich um Zissy's zuckersüßen Mund; und die Väter, Brüder und Oheime brüllen vor Lachen ... Ich möchte ein Kolibri sein – – –«

In diesem Augenblick rief eine grelle Frauenstimme, von der Terrasse hinabzeigend:

»Dort unten ist ja Lady Arbella!«

Und gleich darauf sah man Viscount Rochester die Terrassentreppe herabkommen.


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