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Das königliche Schlafgemach zu Ashby, sonst immer blumig parfümiert, roch nach Medikamenten. Vier Tage lang wurden die Vorhänge und Jalusien nicht aufgezogen, die grünen Fensterläden nicht geöffnet. Keinen frischen Luftzug ließ Dr. Craig, Seiner Majestät Leibarzt, herein und ließ auch sonst niemand herein. Vielleicht um lästigen Fragen zu entgehn, auf die er keine Antwort wußte. Der König fieberte, ohne Fieber zu haben. Daran war nicht zu zweifeln und auch daran nicht, daß er – (von einer ungefährlichen Quetschung abgesehn) – keinerlei Verletzung am Körper aufwies; einen Knochenbruch hatte der fallende Ast nicht verursacht. Dr. Craig war ein geschickter Chirurg, doch ein schlechter Psycholog und gewahrte die Knochenbrüche in des Königs Seele nicht.

Die Anteilnahme der Hofwelt war ungeheuer. In den umliegenden Dörfern mußten die Allzuvielen untergebracht werden, die Ovationen darbringen wollten und nicht durften. Nach ihnen freilich fragte der Fieberkranke nicht, sondern immer nur nach der Königin. Aufsehenerregend war die plötzlich erwachte Liebe. Wann hatte er je nach seiner Gemahlin gefragt! ... Sie aber kam nicht nach Ashby, weigerte sich, ihm einen Krankenbesuch zu machen.

Scham war es, was ihn fiebern machte. Scham trieb ihn an, die Arme hilfesuchend nach der Königin auszustrecken, obgleich er sich sagen mußte, daß er ein Phantom ersehnte. Sein Zustand glich einem Schreckenstraum, ihm war zumute, als stünde er inmitten einer Myriade neugieriger Lords und Ladies entblößt da und müsse nach Verhüllungen suchen, damit alle Welt seine Blöße nicht bemerke. Er war nicht einer der Renaissance-Menschen, die nur ihres Schämens sich schämten, die im Guten sowohl wie im Bösen Größe hatten. Zu klein gebaut war James – von ruchloser Herrlichkeit war nichts an ihm. Er war ein verstohlener Mörder und ein verstohlener Sünder. Des Blutes, das an seinen Händen klebte, schämte er sich und ebenso seiner perversen Neigungen, hatte aber immer bisher angenommen, es wüßten nur ganz wenige davon. Ja, vor sich selbst hatte er bisher die Komödie gespielt, daß er die Verfehlungen seiner wilden Jugend nicht wahr haben wollte: sie existierten nicht, weil sie für ihn nicht mehr existierten ...

Durch die Botschaft des jungen Puritaners war ihm die Binde von den Augen gerissen worden. So also dachte das Volk von ihm! ... Am liebsten wäre er in eine Höhle gekrochen wie ein verwundetes Tier, sich allen Blicken zu entziehen. Zur bergenden Höhle wurde ihm sein dunkel verhängtes, nach Medikamenten riechendes Krankenzimmer. Welch eine Labsal, daß das vermeintliche Fieber die Menschen von ihm fernhielt und ihm Zeit gab, mit sich zu Rate zu gehn. Nur eine Frau, – die Einsicht dämmerte bald in ihm auf, – vermochte die schlimmen Gerüchte Lügen zu strafen. Bislang hatten Frauen keine Rolle in seinem Leben gespielt. Sein Weiberhaß war ein politischer Fehler gewesen. Eine Frau mußte schnellstens seine Rechtfertigung werden.

Doch die Königin kam nicht, trotz brieflicher Bitten und trotzdem Prinz Hal den Auftrag erhielt, ein Mittler zwischen den Eltern zu sein. Vier Tage vergeblichen Wartens rückverwandelten des Königs junge Sehnsucht in alten Haß. Ha, das sollte sie noch bereuen! Es gab ja andere Weiber, mit denen er der Verleumdung den Mund stopfen konnte! ... Und er entsann sich, daß Lord Cecil, sein kleiner Spürhund, ihm dringend ans Herz gelegt hatte, sich eine Mätresse zu suchen.


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