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48

Der Hofnarr war geschwind an die Terrassenwand herangekrochen. Als Rochester die letzte Stufe herabschritt, stellte ihm Archie ein Bein, sprang hinter Büsche und entkam unerkannt im Dunkel des Parkes.

Außer Arbella hatte das niemand gesehn. Die Lady, die von der Terrasse aus Arbella entdeckt hatte, war in den Tanzsaal zurückgeeilt, dort bekanntzugeben, daß die Gesuchte gefunden sei. Erst eine Weile hernach füllte sich die Terrasse mit Neugierigen.

Rochester war der Länge nach zu Boden gestürzt. Fluchend, rasend vor Scham und Schmerz erhob er sich. Plötzlich stand eine schlanke Männergestalt neben ihm. Daß es der Thronfolger war, konnte er in der Finsternis nicht erkennen. Auch hatte er infolge des Sturzes nicht bemerkt, daß Hal, hinter ihm hergehend, die Treppe herabgekommen war.

Gelähmt vor Schreck hatte Arbella nicht die Kraft gehabt, zu fliehen. Hal rief ihr zu:

»Ängstigen Sie sich nicht, Lady Arbella! Er soll es nicht wagen, Sie anzurühren!«

Die ganze Brutalität des früheren Vaganten und Totentänzers brach jetzt hervor. Wie ein böses Tier ging er auf den Prinzen los und schrie ihn an:

»Wer bist du, Schurke? Du warst es, der mir ein Bein gestellt hat! Warte, dir durchlöchere ich das Fell! Ich mache Kotelett aus dir, du Schuft!«

Und er griff an seinen Degen.

»Zissy! Um Himmels willen! – – –« ertönte die flehende Stimme des Königs. Er stand mit Suffolk auf der Terrasse, wo jetzt auch Pagen brennende Fackeln hielten.

Sofort kam Rochester zur Besinnung. Seine Wut zu zeigen, oder zu erwähnen, daß man ihn zu Fall gebracht hatte, hielt er für unklug. Leichthin und leichtherzig meckerte er: »War ja nur ein Scherz, mein gnädigster Lord, – wie ja auch meine Wette nur ein Scherz ist. Die Sonne zeigt ihre Strahlen, wenn sie Gewölk vertreiben will; – so zeigte ich mein Rapier ... Hier ist ein Bursch, der mich hindern will, meine Wette zu gewinnen.«

Hal lachte:

»Sie haben die Wette verloren, Lord Rochester! Der Bursch, der Sie von Lady Arbella fernhält, heißt Prinz Hal!«

Doch Rochester gab sich nicht besiegt.

»Kann Prinz Hal mir verbieten, was Seine Majestät mir erlaubt hat?«

»Ich erlaube es dir noch einmal, Zissy! Geh, küsse Arbella! Ich wünsche es! Hal hat hier nichts zu verbieten!«

Rochester ging auf die weiße Bank zu und griff nach Arbella's Schulter. Da schlug ihn Hal mit der Faust auf den süß gekräuselten Mund.

Einen kleinen leisen Schrei stieß Rochester aus und griff nach seinen schönen Zähnen. Die waren, gottlob! heil geblieben; nur die Oberlippe blutete. Er behielt sich diesmal in der Gewalt, er schlug nicht zurück, griff auch nicht an den Degenkorb. Je maßloser der Prinz sich benahm und je gefaßter er, – um so besser: damit konnten, ja, mußten die Sympathien des Königs und des Hofes sich ihm zuneigen. Und er entsann sich der Frömmigkeit des Königs ...

Auf seine rechte Wange zeigend, sagte er demütig zu Hal:

»Schlagen Sie auch meine andere Backe, mein edler Lord!«

Die biblische Anspielung wirkte um so falscher, als er die Züchtigung nicht auf eine Wange, sondern auf den Mund erhalten hatte. Verächtlich wandte ihm Hal den Rücken.

Da eilte Rochester die Treppe hinauf zu James, der nicht aufgehört hatte, kläglich nach ihm zu rufen, und der jetzt mit Trostworten und Liebkosungen ihn in die Arme schloß.

Die baß erstaunten Zuschauer, die einen das Lachen verbeißend, die andern verwirrt und bedrückt, folgten dem König und dem Günstling in den Tanzsaal. Bald war die Terrasse leer.

Hal stand noch immer unten neben der Bank. Er war allein. Stumm, ohne Dankeswort war Arbella entflohn.

Da kam Sir Lewis Lukenor, der Oberzeremonienmeister, die Terrassentreppe herab. Überaus höflich sagte er:

»Ich bitte um Ihren Degen, mein gnädiger Lord.«

Hal gab keine Antwort. Er schnallte den Degen ab und überreichte ihn. Traurig und höflich sagte darauf Lukenor:

»Ich bitte, es mir nicht nachzutragen, mein gnädigster Lord. Seine Majestät wünscht, daß mein gnädigster Lord einen Tag lang seine Räume im St. James Palast nicht verläßt.«

»Hausarrest?«

»Bis übermorgen früh, mein gnädiger Lord.«


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