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Andersgeartet war James, der sich gern Rex Pacificus nennen hörte. Er wollte England einer Glanzzeit zuführen, – doch nicht durch Kriege, sondern durch Ausweichen und Zurückweichen vor Spanien, vor Frankreich und vor jeglicher Art von Verantwortlichkeit. Auch im geeinigten Königreich wollte er ein Friedensbringer sein, den jahrtausendalten schottisch-britischen Haß auslöschen – doch die Presbyterianer bedrohen; Balsam auf irische Wunden träufeln – doch die Katholiken verfolgen; zu den Protestanten halten – doch die Puritaner verhöhnen und die katholischen englischen Adligen schonen; das Parlament einberufen – doch sein Gottesgnadentum verkünden; sich mit dem Heiligen Stuhl gut stellen – doch den Papst öffentlich als Antichrist brandmarken. Kurz und gut, er wollte schwarz und weiß zugleich sein; – und die Speichellecker nannten ihn darum den britischen Salomo.

Als Rex Pacificus wollte er auch die beiden verfeindeten Familien Essex und Howard aussöhnen, ohne die seine Krönung in London nie erfolgt wäre. Der hingerichtete Essex hatte einen kleinen Sohn hinterlassen und der Lord-Kämmerer Thomas Howard, Earl of Suffolk, hatte ein beinah gleichaltriges Töchterchen. Doch die Ausführung des Planes, durch eine Heirat dieser Kinder den Haß der Familien aus der Welt zu schaffen, mußte James sechs Jahre lang hinausschieben.

In die Zwischenzeit fielen folgenreiche Geschehnisse: ein schlecht vorbereiteter Aufstand, dessen Ziel es war, die zehnjährige Prätendentin Lady Arbella Stuart zur Königin Englands auszurufen, und an dessen Spitze der große Sir Walter Raleigh stand, wurde im Keime erstickt. In dem darauffolgenden langwierigen Prozeß wagte der dickschädlige Lord Oberrichter Sir Edward Coke den berühmten Seehelden in wegwerfendem Ton zu duzen, und ganz England stieß einen Schrei der Wut darüber aus, einen Schrei, der an die Fensterscheiben des Königsschlosses dröhnte. Nie war Raleigh ein so gelenker Fechter gewesen wie beim Wortkampf mit seinen königstreuen Anklägern, nie so löwenkühn, witzig, geistig überlegen, genial. Die ihm das Todesurteil sprachen, waren die Besiegten in dieser Schlacht; er war der gefeierte Sieger, – und blieb es, im Tower eingekerkert, Liebling und Stolz seiner Landsleute, ein Adler im Käfig, dem länger als ein Jahrzehnt lang James weder den Tod zu geben noch das Leben zu schenken den Mut fand. Von den Mitangeklagten bestiegen zwei elegant und würdig das Schafott; Lord Cobham aber ließ man entweichen. Der endete als Schweinehirt. Seiner Latifundien beraubt, verstoßen und gemieden von seiner Kaste als erbärmlicher Verräter, weil er vor Sir Edward Coke ein Geständnis abgelegt und Mitschuldige genannt hatte, fand er in der armseligen Hütte eines Bauern, seines einstigen Dieners, ein jämmerliches Asyl, vor dem Hungertode gerettet, verpflegt, so gut es ging. Zum Dank hütete der Lord dem Kätner das Vieh.

Die ahnungslose Urheberin aber so vieler Tragik, die kleine wunderschöne Arbella verschwand spurlos aus dem Schlosse Worksop, wo sie, die elternlose, bis dahin unter Aufsicht ihrer Tante Mary Countess of Shrewsbury eine prinzliche Erziehung erhalten, Spanisch, Italienisch, Französisch und auch Lateinisch fließend zu sprechen gelernt hatte. Der Schotte George Gordon, Marquis of Huntley, kurz vordem vom König zum Lord-Schatzmeister ernannt, hatte sich erboten, das Kind in Sicherheit zu bringen. Seither wußte kein Mensch, was aus dem Kinde geworden war. Selbst James wußte es nicht; und sein bequemes, träges Gewissen erlaubte ihm nicht, danach zu fragen.

Durch die zwei Jahre später erfolgte Aufdeckung der Pulververschwörung entging ein anderes Kind, Lady Elisabeth – die spätere Winterkönigin – dem Geschick, ein Kind auf dem Thron Englands, eine kleine blutige Mary zu werden, wie die katholischen Verschwörer es planten. Da der Lord-Kämmerer Thomas Howard, Earl of Suffolk, das Parlamentgebäude durchsuchend als erster die sechsunddreißig Pulverfässer und die glühenden Augen des Guy Fawkes erblickt hatte, schloß ihn James noch mehr ins Herz als zuvor: nicht nur die Krone dankte er ihm fortan, sondern sein und der Seinen Leben. Von jetzt ab pflegte er Lady Suffolk auf den Mund zu küssen, – wenn er sich auch sonst verteufelt wenig aus Frauenküssen machte.

Die zweitälteste Tochter der Lady Suffolk, die inzwischen dreizehn Jahre alt gewordene Lady Frances Howard, verlobte James im Dezember 1609 mit dem vierzehnjährigen Robert Earl of Essex. Im Königsschlosse sollte zu Pfingsten die Hochzeit gefeiert werden. Es wurde eine Doppelhochzeit, weil James, als die furchtbare, von seinen Landsleuten nie vergessene Ermordung des jungen schönen Earl of Moray sich wieder einmal jährte, auf den Gedanken kam, zwei verfeindete schottische Familien gleichfalls durch eine erzwungene Verehelichung in Whitehall auszusöhnen. Das von Lucy Lady Bedford, der geistvollsten Hofdame der Königin, bei ihrem Freunde und Anbeter Ben Jonson für Frances Howard und Robert Essex bestellte Hochzeitsfestspiel – the Masque of Hymen – sollte mit Hymens Sprüchen nun auch dem andern Brautpaar – Sir David Moray, dem Sohn des einstmals von Huntley Ermordeten, und Anne Lady Gordon, Huntleys Tochter, – zum Bewußtsein bringen, daß im Königsschloß getraut zu werden, nur Gottbegnadeten, von Göttern Gesegneten beschieden sei.


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