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27

Gegen elf Uhr war die Seeschlacht beendet. Die eroberte Wasserfestung ging in Flammen auf. Während der Kanonendonner verstummte, lockte Tanzmusik in den Großen Saal. Die kleinen und die großen Kinder folgten gern dem schmachtenden Ruf der Geigen.

Nachdem nach Herzenslust getanzt worden war, begann ein absonderliches Gesellschaftsspiel: der Mädchenverkauf.

Ein mit Stroh gefüllter Erntewagen, vor den ein weißes Maultier gespannt worden war, wurde in den Großen Saal hereingefahren. Und ein Herold forderte alle ledigen Fräuleins auf, sich in das Stroh zu setzen, damit sie vom Besitzer des Wagens – einem marokkanischen Sklavenhändler – abgeschätzt, angepriesen, feilgeboten und dem Meistbietenden verkauft werden könnten.

Die meisten der unverheirateten Ladies ließen sich das nicht zweimal sagen, mit Gelache und Gekreisch stürmten sie den Wagen. Einige allerdings zierten sich; – sie wurden, mochten sie wollen oder nicht, von jungen Lords in die Arme genommen, emporgehoben und wie Warenballen ins Stroh geworfen. Rasch füllte sich der Wagen mit einer kichernden, jugendtollen, berückenden Fracht. Nicht lange und er war übervoll.

Ob niemand vergessen sei? wurde gefragt.

Trotz ihres backfischhaften Aussehens durfte Frances Essex sich nicht verkaufen lassen, war sie doch eine verheiratete Frau. Aber wenn sie schon auf den Wagen kein Recht hatte, so war ihr nicht verwehrt, das weiße Maultier zu besteigen. Rittlings auf dem Maultier, überragte sie sogar Lord Moray, den langen David, und konnte den ganzen Riesensaal überschauen. Ihr entging nicht, was allen anderen leicht entgangen wäre: daß nämlich Arbella zu einer der Terrassentüren hinschlich, in der Absicht, den Saal heimlich zu verlassen. Plötzlich rief Frances:

»Warum fliehen Sie, Lady Arbella?«

Der Todesengel hat so viele Augen nicht, wie die arme Arbella im Nu auf sich gerichtet sah. Jetzt war es für sie zu spät, die Terrasse zu gewinnen. Schrill aufjohlend wiederholte Frances die Frage, indem sie mit exzentrischen Gebärden am Zügel riß und dem Maultier die langen Ohren fächelte.

»Warum fliehen Sie, Lady Arbella? Fürchten Sie, keinen Käufer zu finden?«

»Mich dürfte niemand zu kaufen wagen, Madam!«

»Oh! Ich täte es! – kein Preis wäre mir zu hoch!« rief überschwenglich Lord Harbert of Chirbury, der ziegenbärtige Galan Ihrer Majestät und Erfinder des Deismus. Oft genug hatte sich Arbella seine verstohlenen Liebeserklärungen verbeten; – und nun wagte er es gar, sie vor aller Welt zu belästigen und noch dazu in Gegenwart der Königin! ...

»Für mich gibt es keinen Preis«, sagte Arbella hochmütig, wenn auch sehr leise. »Und außerdem werden heute nur Mädchen verkauft.«

»Sie sind ja ein Mädchen!« rief Frances.

»Das ist ein Irrtum, Madam! Ich heiße und bin Lady Seymour, Gattin von William Seymour Lord Beauchamp!«

Diese Worte Arbella's erregten ungeheures Aufsehen. Zum erstenmal vernahm man aus ihrem Munde, daß sie sich für verehelicht hielt, – trotz allem, trotz der unterbrochenen Trauung ... Sollte man ihren Mut bewundern? Sollte man ihre Unklugheit bedauern? Indem sie sich vor versammeltem Hofe als Lady Seymour bezeichnete, trotzte sie dem drakonischen Verbot des Königs und der Sternkammer.

Mit gerötetem Kopf wollte eben James auf sie zu humpeln, ihr einen tobsüchtigen Verweis erteilen. Doch sie hatte inzwischen die Terrassentür erreicht und eilte hinaus in den Garten.


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