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24

Kaum waren sie dort allein, verfinsterte sich das gutmütige, fette, leere Gesicht der Königin. Ganz Majestät, ganz Richterin geworden, schloß sie umständlich die Tür. Da begann Arbella zu ahnen, daß ein Kampf aufs Messer bevorstand, und sie nahm sich vor, dem Zorn ihrer Tante mit unbesieglicher Heiterkeit zu begegnen, sie durch Heiterkeit zu entwaffnen. Im Verkehr mit der plumpen Königin hatte sie auch sonst immer ihre geistige Überlegenheit hinter einer Art Narrentum verborgen, dessen beinahe zu freier Ton ihr prinzeßliches Privileg war.

»Das kann ich wohl sagen, ich bin deine Beschützerin gewesen, Arbella. Ich habe schirmend die Hand über dich gehalten ...«

»Zum Glück nicht deinen Fuß, Tante, – sonst wäre ich zermalmt!«

»Ich wünschte dein Herz wäre zermalmt ... Für meine Wohltaten ernte ich schönen Dank!«

»Du erschreckst mich, Tante! Was habe ich verbrochen? Habe ich Tabak geraucht? Habe ich einen Rosenkranz gebetet? Habe ich im Rinnstein gelegen?«

»Nie hätte ich geglaubt, daß du eine Sirene bist, Arbella!« »Das glaubt der Rex Platonicus nicht von mir, liebe Tante. Also glaube du es auch nicht. Denn, sieh mal, ich sammle keine Menschenknochen. Und – da, schau! – ich habe nicht Vogelfüße.«

»Aber Schlangenaugen hast du und ein Schandmaul!«

»Wir sind doch eine königliche Familie, Tante, – wir sind doch nicht Hökerweiber!«

»Mit Hal hast du geäugelt!«

»Wann? ... Wo?«

»Heute – in Westminster – vor aller Welt – als ihm die Krone aufgesetzt wurde, als er sich vor dir, du Gans, verbeugte!«

»Kann eine Gans Schlangenaugen haben, Tante?«

»Es ist himmelschreiend! Zweimal hat er sich vor dir verbeugt! Wenn es niemand bemerkt hat, – ich habe es bemerkt!«

»Du hast geträumt, liebe Tante, mit wachen Augen geträumt! ... Ich bin zuweilen mondsüchtig und kenne es aus Erfahrung: das sind Gaukelbilder der Dame-aux-Songes!«

Wie mit Blut übergossen stand Arbella da. Sie wußte sich schuldig. Lieber hätte sie sich die Hände abhacken lassen, als die Wahrheit einzugestehn. Spott war ihre Abwehrwaffe. Doch schon kämpfte sie mit Tränen.

»Sage mal, Tante, – hast du schon im Traumbuch nachgeschlagen, was das bedeutet?«

»Was das bedeutet? Eine Schamlosigkeit von euch beiden, eine Frechheit! ... Du mußt nämlich wissen, daß Hal im Begriff ist, sich zu verloben!«

»Mit wem, Tante?«

»Das geht dich nichts an! Das geht vorläufig niemand etwas an.«

»Auch Hal nicht?«

»Wenn du denkst, daß du ihn seiner Braut wegschnappen kannst – – –«

»Ich habe keine Reißzähne, Tante, – ich bin ein zahmes Lamm ... Ein Opferlamm, Tante!«

»Bilde dir nicht ein, daß er dich heiraten wird!«

»Ich bin ja schon verheiratet!«

Beinahe schreiend rief das Arbella. Sie vermochte die Tränen nicht mehr aufzuhalten, sie weinte hemmungslos.

Da erschrak die Königin. Der Nervenzustand, in welchem Arbella sich befand, konnte eine Erkrankung oder doch eine Unpäßlichkeit zur Folge haben, und damit wäre das Theaterspiel des folgenden Tages gefährdet gewesen. Eine Idealgestalt Ben Jonson's durfte nicht gerötete Augen haben ...

Die Königin lenkte ein ...

»Es freut mich, daß du das sagst, Arbella. Damit söhnst du mich wieder aus. Mögen James und die Sternkammer deine Ehe für nichtig erklärt haben, – ich weiß doch, daß ich dich und Seymour vor dem segnenden Priester knien sah. Wenn du selbst dich für gebunden hältst, um so besser ... Hal ist ein Herzensbrecher, er hat auch der kleinen Essex den Kopf verdreht; – doch das sind Spielereien –: du schadest nur dir selbst, wenn du derlei für bare Münze nimmst ... Nun aber trockne die Tränen –: beim Maskenspiel morgen darfst du nicht verweint aussehn.«


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