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In den oberen Stockwerken des White Tower, in den Gemächern, wo einstmals Könige residiert hatten, waren die Staatsgefangenen untergebracht. Innerhalb des Tower's durften sie frei umhergehen, nach Vermögen oder nach Gutdünken sich beköstigen und bedienen lassen. Der steinreiche Percy, Earl of Northumberland, ohne Beweis verdächtigt, um die Pulververschwörung gewußt zu haben, seit Jahren widerrechtlich gefangen gehalten, lebte als Grandseigneur mit einem Hofstaat von Lakaien und Sängern, die ihm die Zeit vertrieben; unbenommen war es ihm, in seinen Zimmern, wen er wollte, wohnen zu lassen, – und so zwang er denn seine hübsche blutjunge Tochter Lucy, seine Mitgefangene zu sein, weil ihm der verschwenderische Lord Hay, Earl of Doncaster, den sie liebte, verhaßt war, und weil er ein Verlöbnis der beiden verhüten wollte ... Raleigh, seiner Latifundien durch Konfiskation beraubt, wurde nur von einem alten Waffengenossen, dem Soldaten Keymis, bedient, hatte kaum noch Geld genug, sich standesgemäß zu kleiden, und arbeitete an der gigantischen »Geschichte der Welt«, bei deren Niederschrift sein treues Weib und sein halbwüchsiger Sohn ihm behilflich waren ... Der dritte Staatsgefangene, Geoffrey Ruthven, war so arm, daß er ohne die Almosen seines Schwagers Lenox hätte verhungern müssen. Von den zwei Räumen, in denen er hauste, glich der eine Fausts Studierzimmer: auf einem Herd sah man verstaubte Phiolen, Kessel und Retorten. Denn Geoffrey Ruthven war einst in Paris und Wittenberg Student der Naturwissenschaften gewesen, und seit seiner Einkerkerung hatte er – solange er noch gesund war – Trost und Vergessen in diesem Laboratorium gesucht ... Doch schon seit längerer Zeit war er krank, sterbenskrank.


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