Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

7

Es dunkelte bereits, als gegen fünf Uhr abends Lord Seymour vor Cymry Castle Einlaß begehrte. Von Jasper und Moll Cutpurse hatte er sich an einer Wegscheide getrennt. Sogar sein Pferd hatte er am Kreuzweg zurückgelassen; allein und zu Fuß war er das letzte Stück Weges gewandert.

Mit den beiden Pferden – so war vereinbart worden – sollte Jasper zum Hafen von Winchelsea reiten und im Gasthof zur Schwarzen Glocke Quartier nehmen. Dort hoffte Seymour, mit ihm sich zu treffen, sobald des Königs Auftrag erfüllt sein würde – spätestens in zwei Tagen. Falls er wider Erwarten nach zwei Tagen nicht käme, sollte Jasper versuchen, sich an Cymry Castel heranzupirschen, um, wenn nötig, ihm beizustehn ...

Ein Schlüssel knirschte, knarrend ging das Tor auf. Mit einer Stallaterne leuchtete ein landsknechthafter bärbeißiger Diener dem fremden Gast ins Gesicht, fragte barsch, wer er sei und was er zu so später Stunde wünsche.

Seinen Namen verschwieg Seymour und gab sich für einen Sir Roger Mayhew aus. Er wünsche den Bailiff Murdac zu sprechen. Und da der Knecht Schwierigkeiten machte, übergab er ihm den Brief des Königs an den Schloßvogt.

Knurrend entfernte sich der Knecht. Lange mußte Seymour warten, lange genug, um mit Muße sich umzuschauen, soweit das Abenddunkel ihm das gestattete.

Einem Schmuckkästchen glich das kleine gotische Schloß, gleichwüchsig und sauber schnitten die spitzdachigen Türme eine schlanke Silhouette in den Dämmerhimmel. Doch auch einem Gefängnis glich es, schwarz und düster, die Spitzbogenfenster mit Eisenstäben vergittert. Ein Wasserschloß war es: mitten aus einem Teich ragte es empor – eine Brücke verband das Ufer mit dem von zwei hohen gemeißelten Einhörnern bewachten Außentor. Und bis dicht an das Schilfufer brandete der Wald heran, grenzenlos wie ein Meer, das darauf lauert, eine Insel zu verschlingen. Wie seltsam (dachte Seymour), daß einst Könige solch eine Waldwildnis ausgewählt hatten, ihren Buhlerinnen das Dasein zum Paradies zu machen. Mußten nicht in so trostloser Ödenei Jugend und Leben vertrauern und verdämmern? ... Und auch jetzt lebte ein rätselhaftes Kind hier – »La Belle au bois dormant« ... (murmelte er lächelnd vor sich hin).


 << zurück weiter >>