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45

Auf einer Gartenbank vor dem St. James Palast erwartete Hal voller Unruhe, welchen Bescheid Overbury bringen werde. Schließlich nahte der schmerzlich Ersehnte vom Whitehall-Park her; – und schon von weitem konnte Hal ihm ansehn, daß er nichts ausgerichtet hatte. Zitternd vor Erregung ging Hal ihm entgegen.

»Er will nicht?«

»So ist es, mein gnädiger Lord: er will nicht ... Ich war ein Narr, daß ich mir einbildete, ihn beeinflussen zu können! ...«

»Soll ich hingehn und das Idol anbeten? Weihrauch verbrennen vor dem geschminkten Hund?«

»Da sei Gott vor, mein gütiger Lord! Es würde ebenso wenig nützen ... Man kann nicht inniger bitten, als ich es getan habe ... Er will einfach nicht.«

»Noch gestern, Thomas, hast du ihn verteidigt, als ich ihn eine bärtige Dirne nannte. Du behauptetest, er sei ein liebenswürdiges Glückskind.«

»Mit einer Glückshaube kam er zur Welt, mein Lord; mit Liebenswürdigkeit hat er mich und andere gefangen, – läßt sich das leugnen? ... Vielleicht auch ist es heute der Rausch des Erfolges und die Ermüdung, was ihn halsstarrig macht; – morgen vielleicht wird er wieder auf mich hören ... Ja, so muß es sein! Es darf nicht anders sein! ... Denn sollte ich mich in ihm getäuscht haben, – es wäre unausdenkbar ...!«

»Ich sagte dir gleich, Thomas, daß es zwecklos sei. Götzenbilder soll man zertrümmern, aber nicht anbetteln ... Womit begründet er sein Nein?«

»Seine Majestät würde es ihm übelnehmen, und er selbst würde es sich übelnehmen, wenn er auf Sherborne verzichtete ... Eigentlich hat er ja recht: es ist zuviel verlangt.«

»Daß ein Hund seinen Knochen hergibt? Darin sind sich alle Hunde gleich.«

»Ich entschuldige ihn ja nicht, mein gnädiger Lord, nach einer Erklärung suche ich ... Bis vor kurzem ein Hungerleider, ein armseliger Totentänzer, wird er plötzlich Eigentümer von Sherborne. Noch hat er Schloß und Park nicht gesehn, und schon fordere ich im Namen des Edelmutes die Rückgabe. Ist es ein Wunder, daß der Edelmut versagt?«

»Ein furchtbarer Schlag für Raleigh! ... Doch gemach! – ich werde den Hanswurst, der mein Vater ist, dazu bringen, das rückgängig zu machen! ... Du sollst sehn, Thomas, daß ich das kann!«

»O mein gnädiger Lord, Sie sprechen so erregt! ...«

»Ich weiß wohl, was du herunterschluckst. Du denkst, es sei meiner nicht würdig, solch ein Wort von meinem Vater zu brauchen ... Aber ist denn mein Herr Vater meiner würdig? Ich schäme mich meines Vaters, Thomas! Ich schäme mich! Ich schäme mich ...«

Die Wimpern Hal's glitzerten feucht. Um es nicht zu sehn, blickte Overbury auf den Gartenkies, in den er mit der Spitze seines Rapiers Buchstaben kritzelte. Dann sagte er weich:

»Mir ist weh ums Herz, mein lieber Lord. Und mir ist auch bange ums Herz.«

»Bange? ... Mir nicht! Was fürchtest du?«

»Ich wage nicht zu fürchten und muß doch! Eine Hornisse ist leichter zu verjagen als solch ein Angstgespenst ...«

»Welches?«

»Daß der neugebackene Viscount doch ein schmutziger Totentänzer und Galgenvogel ist. Er war auch heute, wie immer, sehr freundlich und bescheiden; – und dennoch ist mir, als hätte ich eben zum erstenmal seine Augen gesehn. Es sind Hyänenaugen ...«

»Hyänen fallen nur Tote an, Thomas. Wir aber sind Lebende. Auch Sir Walter ist, Gott sei Dank, ein Lebender. Und ich werde ihm nicht nur Sherborne, ich werde ihm auch die Freiheit zurückerlangen, – so wahr ich der Sohn eines – gekrönten Professors bin!«

»Kerkertüren öffnet und schließt jetzt der schöne Zissy, mein gnädiger Lord!«

»Bin ich nicht Thronfolger? Über Raleigh hatte ich neulich eine lange Unterredung mit meinem Vater, der aufmerksamer mich angehört hat, als ich erwartet hatte. Ihm klarzumachen, daß es eine Schande ist, wenn ein König einen Adler wie Raleigh im Gewahrsam hält, war freilich ein vergebliches Bemühn. Als ich aber seiner Habgier einen glitzernden Köder hinhielt und mit teuflischem Ernst sagte – (worüber ich sonst immer gelächelt habe) –, daß Raleigh der einzige Christenmensch ist, der den Weg zum Goldfelsen am Amazonenstrom kennt; und als ich ihm nachwies, daß ein reicherer Goldstrom, als der von Cortes und den Pizarros nach Spanien geleitete, durch Raleigh nach England geleitet werden könnte, – blinzelte Seine Majestät vergnügt und äußerte die Absicht, fünf Schiffe für die Entdeckung des Goldfelsens auszurüsten und Sir Walter Raleigh zum Admiral der Flottille zu ernennen. Auch versprach er mir, Raleigh schon in diesem Herbst aus dem Tower zu entlassen.«

»Ach, wenn ich's doch glauben könnte, mein gütiger Lord! Aber zuweilen überkommt mich der Zweifel: ob wohl Sir Walter selber an den Goldfelsen glaubt? ...«


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