Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

17

Wenige Wochen nach diesem Gespräch wurde sie seine Buhle. Vergebens beschwor er sie, sich heimlich ihm antrauen zu lassen. Beharrlich weigerte sie sich –: seine Aussichten bei Hofe seien glänzend, und sie dürfe sein Hemmnis nicht sein.

Sie war zugegen gewesen, als die Königin Southampton's heimliche Ehe entdeckte. Unauslöschlich war in ihr Gedächtnis eingegraben, mit welcher Wildheit die alte Königin den stolzen Peer von England und die Hofdame angefaucht, sie mit Adam und Eva verglichen, sie aus Whitehall verstoßen hatte.

Ja, für Liebespaare lebte sich's nicht wolkenlos an einem Hofe, dessen Wahlspruch die Jungfräulichkeit war – lucus a non lucendo ... Fühlte die Freundin Leicester's den Hohn des Ehrentitels und wollte sie, in letzter Stunde noch, den Wahlspruch wahr machen?

Nachdem die sterbende Lady Alice Howard ihr, zwei Jahre zu spät, den Essexring übergeben hatte, duldete Elisabeth keinerlei Zusammenstehen und Gespräch mehr zwischen Mann und Frau.

An einem Vormittag geschah es, daß Overbury und Oriana sich in einem Spiegelzimmer des ersten Stockwerkes verstohlen trafen. Sie wußten, daß die Königin erschöpft in den Morgenstunden eingeschlummert war, nachdem sie die ganze Nacht nach Essex gerufen und mit einer flackernden Kerze in der Hand durch die Prunksäle geirrt war, als wäre sie ihr eigenes Gespenst.

Die Liebenden standen an einem offenen hohen Spitzbogenfenster. Draußen glühte und duftete, blühte und sang der Sommertag. Und in beiden glühte und blühte und sang das Glück. Sie hielten sich umschlungen, sie küßten sich.

Da wurde die Tür aufgerissen. Königin Elisabeth trat über die Schwelle, die Augen stier, übernächtig, die weißen Haarsträhnen ungekämmt, in der wachsgelben, runzeligen Hand ein Leuchter mit blakender Kerze. Draußen auf dem Korridor, wie festgebannt, ein ratlos und verschüchtert dreinblickendes Gefolge.

Den Liebenden erstarrte das Blut in den Adern.

Sie hielten sich noch immer umschlungen. Sie ließen voneinander erst, als die Königin mit heiserer krächzender Papageienstimme Overbury aus dem Zimmer wies. Dreimal mußte sie den Befehl wiederholen, ehe Overbury begriff, daß das Schicksal zu ihm sprach, und daß, aufbegehrend den Kopf zu wagen, zwecklos sein würde ... Sobald er hinausgegangen war, verriegelte Elisabeth die Tür. Nun war sie allein mit dem schuldigen Mädchen. Und langsam, langsam ging sie aufs Fenster zu.

Oriana war zumute, als nähere sich ihr ein grünlich-weißes Gorgonenhaupt. Ihr wurde schwindlig vor Entsetzen. Wohin fliehen? War nirgends eine Tür, durch die sie entweichen konnte? Da fühlte sie sich plötzlich von lauter Gespenstern angestarrt, – die vielen Spiegel, mit denen die Wände des Zimmers verkleidet waren, vervielfachten das sie schreckende Gebilde: von zahllosen Gorgonenhäuptern sah sie sich umringt und umdroht. Die Sinne schwanden ihr. Sie wich nach rückwärts, verlor über dem niedrigen Fensterbrett das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe.

So wahnsinnig war Elisabeth nicht, daß sie nicht begriff, was geschehen war. Und jetzt war sie es, die erschrak, die vor sich selbst erzitterte. Denn mit einemmal gewahrte auch sie zahllose Furien ringsumher und sah zahllose Kerzen bei Tagesschein brennen, und dann jählings erlöschend aus runzligen Händen zu Boden fallen ... Wie? Sollte das etwa ein Sinnbild sein, – dachte sie –, daß ihr Stündlein nahte? ... Doch pfui, so zu zittern wie Espenlaub! Glaubten die grünlich-weißen Teufelslarven, sie einschüchtern zu können? Wenn sie Fratzen schnitten, so konnte auch sie Fratzen schneiden, o ja! ... Und sie verzerrte ihr verfallenes Wachspuppengesicht noch mehr, suchte die Grotesken an Groteskheit zu überbieten. Jene jedoch übertrumpften ihre Grimassen so scheußlich, daß sie hell lachen mußte. Und sonderbar, jene lachten mit ihr. Das klang lustig und schauerlich.

Aber schließlich ward es ihr doch unheimlich, und sie riegelte die Tür auf. Da stand Overbury schneeweiß vor ihr und starrte an ihr vorbei ins leere Spiegelzimmer.

»Wo ist Oriana?« hörte sie ihn aufschreien.

Sie wollte antworten. Kehle und Zunge und Lippen versagten sich ihr. Ohnmächtig fiel sie vor Overbury nieder wie eine knochenlose Gliederpuppe. Wenige Tage hernach war sie tot.


 << zurück weiter >>