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Vor einem halben Jahr, unmittelbar nachdem er des sterbenden Geoffrey Ruthven letzten Wunsch vernommen, war David Moray bemüht gewesen, Lord Patrick Ruthven, der sich Dr. Forman nannte, in London ausfindig zu machen. Da es sich um einen aus dem Tower entwichenen Staatsgefangenen handelte, mußte er mit äußerster Vorsicht zu Werke gehn. Von Geoffrey war unter anderem eine Mistris Turner erwähnt worden; David ließ sie durch einen verläßlichen Diener aufsuchen und aushorchen. Entmutigend lautete der Bescheid der Putzmacherin: vor vier Jahren sei Dr. Forman nach Amerika ausgewandert, und sei beim Schiffbruch der Mayflower umgekommen.

Das war offenbar eine Finte und stand im Widerspruch mit dem, was Geoffrey über die erfolgte Rückkehr Patrick's gesagt hatte. Ein Mittel, von der Frau eine wahrheitsgetreue Auskunft zu erzwingen, besaß David nicht. Etliche Versuche, ohne Mistris Turner's Hilfe die unsichtbare Fährte aufzudecken, führten zu keinem Ziel. Er gab die Nachforschungen als aussichtslos auf.

Da erhielt er Ende April einen »Dr. Forman« unterzeichneten Brief. Von befreundeter Seite – (schrieb Patrick) – sei ihm mitgeteilt worden, daß Seine Lordschaft vor längerer Zeit nach ihm gefragt habe; auch wisse er, daß Seine Lordschaft ihn in seiner Kindheit gekannt und der Jugendfreund seines unglücklichen, im Herbst verstorbenen Bruders gewesen war; darum sei er zu einer Zusammenkunft bereit an einem Orte, den Seine Lordschaft bestimmen möge.

Als David den Überbringer zu sehn wünschte, hatte dieser sich bereits entfernt; die Dienerschaft wußte nur zu berichten, daß es ein junger Bursche, ein Apothekerlehrling namens Franklin gewesen war.

Den Brief ließ David zunächst unbeantwortet. Herbst und Winter trennten ihn von jener ergreifenden Stunde, wo Geoffrey Ruthven ihm das Goldkreuz seiner Mutter und seinen letzten Willen anvertraut hatte. Die Begeisterung, mit der er damals das dem Sterbenden gegebene Versprechen einlösen wollte, war in der Zwischenzeit abgekühlt.

Er stand nicht allein in der Welt: auch Lady Moray und das Kind in ihrem Schoße setzte er Gefahren aus, wenn er sich in ein tollkühnes Abenteuer einließ ... Dennoch blieb es nach wie vor seine Absicht, mit Patrick zusammenzukommen; – nur jetzt, während der Schwangerschaft seiner Frau, zauderte er, den Gang zu tun. Nicht unbedenklich war es, einen Mann aufzusuchen, der von James und seinen Schranzen als Landesverräter und Königsmörder bezeichnet wurde.

So zögerte David bis in die Maitage hinein, bis die Kunde vom Pariser Königsmord die Begegnung vollends unmöglich machte.

Und noch viel Zeit hätte er abwartend verstreichen lassen, hätte ihn nicht des jungen Prinzen frivoles Benehmen zutiefst erschreckt und erschüttert. Ein wenig eng waren die geistigen Fähigkeiten David's; – nicht daß er puritanisch fühlte; doch er war ganz Ehrenmann, ganz Schotte, ganz Kalvinist. Von seinen Eigenschaften stach am hellsten die Treue hervor: – Treue gegen Gott, Moral und Heimat. Er liebte Hal, – und eben deshalb entsetzte ihn der überlegen weltmännische Ton, mit welchem der Knabe über die Infanta, über Frauenhäuser und Kurtisanen gewitzelt hatte. Die Seele Hal's war gefährdet! Geoffrey hatte dunkel angedeutet, Patrick wolle Hal verderben; – das konnte doch nur heißen: ihn seelisch verderben! ... Hatte die Korruption schon begonnen? Empfänglich, allzu empfänglich war der Boden für giftige Aussaat. Wurde sie gestreut, so war der Prinz verloren. Das mußte gehindert werden um jeden Preis! Auch sein, dem sterbenden Geoffrey verpfändetes Wort löste er ein, wenn er das hinderte.


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