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Eine Stunde später betrat James – nunmehr schicklich als Monarch gekleidet – sein von vergoldeten Ledertapeten umschimmertes Arbeitszimmer. Dort harrte seiner der Lordkanzler Robert Cecil, Earl of Salisbury, den er nie anders als seinen »kleinen Spürhund« (my dear little beagle) nannte. Unentbehrlich war ihm Cecil's Mentorschaft und amüsante Unterhaltungsgabe. Unentbehrlich und verhaßt war ihm der kleine gescheite Mann, von dem sich nimmer ergründen ließ, was er hinter feinem Lächeln verbarg; der mit geistreichen Exkursen und Anekdoten stets das Gespräch abzulenken verstand, sobald sein königlicher Herr von Geldsorgen – (andere Sorgen hatte er nicht) – zu reden begann.

Cecil wartete ihm mit einer überraschenden Nachricht auf: Der aus Frankreich verbannte, in den Niederlanden lebende Prince de Joinville war in Gravesend gelandet, war unterwegs nach London, wo er im Laufe noch dieses Tages eintreffen konnte. Als vornehmster Gast von James zur Doppelhochzeit geladen, hatte er vor einer Woche erst einen Absagebrief geschickt; – nun kam er dennoch, wenn auch post festum.

Der Prince de Joinville, ein Bruder des Duc de Guise, hatte eine Liebschaft mit der Comtesse de Moret angeknüpft, einer der Mätressen des französischen Königs Henri IV., und war darob höflich ersucht worden, über die Grenze zu gehen. Mit den Guises war James verwandt durch seine Mutter Mary von Schottland. Zuwider war ihm die katholische Majestät, der Paris eine Messe wert gewesen, und von der ihm hinterbracht worden war, daß sie ihn seiner pedantischen Gelehrsamkeit wegen höhnisch als Maître Jacques zu bezeichnen pflegte. So sehr ihn der Absagebrief betrübt hatte, so sehr freute ihn jetzt die Ankunft Joinville's, denn vom schmählich aus Paris Vertriebenen erhoffte er Konfidenzen über den dortigen Hof, den König und dessen politische Pläne.

»Wo sollen wir ihn mit seinem Hofstaat unterbringen?«

Ein schwer zu lösendes Problem. In die ursprünglich für Joinville bestimmten Räume waren die schottischen Ehrengäste einquartiert, und die dachten noch nicht daran, abzureisen ... Doch Cecil wußte Rat, er hatte mit seiner Freundin Lady Suffolk gesprochen und sie gebeten, sich an Northampton zu wenden; bereitwilligst hatte Northampton seinen kleinen, an Whitehall's Park grenzenden Palast zur Verfügung gestellt.

James schien nicht ganz einverstanden.

»Lieber wäre es mir, wenn Joinville in Whitehall wohnte ...«

»Gewiß wäre das das Sicherste, mein Lord. Einen so galanten Franzosen darf man nicht aus den Augen lassen, – sonst, wer weiß, könnten auch wir in die Lage kommen, ihn über die Grenze zu schieben.«

»Wir in England haben keine Mätressen!«

Cecil würgte eine Antwort herunter. Nachdem ihm das geglückt war, sagte er gelassen:

»Leider.«

Es wurde überhört. Da James auf den Köder nicht anbiß, fuhr Cecil fort:

»Lady Suffolk meint, Prinz Hal könnte für diese Tage nach Northampton Palace übersiedeln, – dann würden seine prinzlichen Gemächer frei ...«

»Eine ausgezeichnete Lösung, mein kleiner Spürhund! Das Ei des Kolumbus – von Lady Suffolk gelegt und ausgebrütet! ... Ja, so soll es geschehn: Hal wird ausquartiert – ich werde es anordnen!«

Er nahm einen Schluck Kanariensekt und entwickelte seine Pläne. Dem Joinville wolle er den Aufenthalt in England so angenehm wie möglich gestalten, um ihn – sein Vertrauen gewinnend – auszuhorchen ... Was er verschwieg, was aber Cecil deutlich heraushörte, war der Wunsch: auch einmal, auf eigene Faust, große Politik zu machen. Trotz seiner Indolenz hatte er zuweilen solche Anwandlungen. Freilich, wenn er Politik machte, so war es stets persönliche, von Zuneigungen, Abneigungen oder Impulsen diktierte, und sein kleiner Spürhund mochte dann nachträglich zusehn, wie sich das Verrenkte wieder einrenken ließ.

Hätte James nicht seine Fingernägel betrachtet, er hätte in Cecil's stählernen, infolge von Nachtwachen rotgeränderten Augen Spott, Mitleid und das ehrliche Erstaunen darüber gelesen, daß einer ein König und ein Fünfziger sein kann – und noch immer ein Lausbub ...

»Seine französische Majestät denkt vielleicht ebenso, mein Lord, und will vielleicht uns aushorchen.«

»Durch wen? Durch Joinville, seinen Feind?«

»Der der Freund seiner Mätresse ist!«

»Ein absurder Verdacht! ... Haben Sie einen Beweis?«

»Noch nicht, mein Lord. Dennoch ist es mehr als wahrscheinlich.«

»Wieso?«

»Weil der französische König seine Mätresse nach den Niederlanden oder in die Hölle geschickt hätte, wenn sie wirklich, wie behauptet wird, schuldig wäre. Sie aber steht noch immer in höchsten Gnaden bei ihm.«

»Wenn er ein verliebter Schwächling ist, – was besagt das! Amor vincit omnia.«

»Eine geschickte Mätresse zu haben, ist keine Herzensangelegenheit, mein Lord. Die Kosten, die eine Mätresse verursacht, bringt die Politik zehnmal wieder ein!«

Wie so oft, wußte James nicht, ob der kleine Spürhund sich lustig über ihn machte oder ernst sprach. Geärgert und doch lachend erwiderte er:

»Ich fand noch keine, die die Kosten wert wäre!«

»Dann liegt es an den englischen Mädchen, mein Lord: – die sind zu häßlich oder – zu sittsam!«

»Aha! Jetzt merke ich, daß Sie spotten!«

»Wie dürfte ich das wagen, mein gnädiger Lord. Nein, mir ist es Ernst damit. Warum nehmen Sie den hübschen Gedanken nicht in die Hand, wie man einen Nestling in der Hand hält? Ein Nestling wird zahm und wächst ...«

»Warum? – das will ich Ihnen sagen! Das Parlament verweigert mir alle Geldforderungen, und mein lieber kleiner Spürhund beschneidet mir die wenigen Einkünfte, die mir verblieben! Wie sollte ich also ...!

»Oh! Für die Kosten einer Mätresse würde ich schon aufkommen. Wollen Sie sich umtun, mein Lord?«

»Kennen Sie eine?«

»Unauffindbar wird sie nicht sein, mein Lord!«


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