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Sobald der Earl mit seinen weiblichen und männlichen Trabanten hinter dem Gatter des Bloody Tower den Blicken entschwunden war, färbte sich Hal's leichenbleiches Gesicht dunkelrot.

Nicht vor Zorn; nur vor Scham über seine bloßliegende Sünde. Sein Gewissen nahm den Peitschenhieb als wohlverdient hin. Er grollte nicht dem Earl, der waffenlos vor ihm, dem Bewaffneten, so zu sprechen gewagt hatte; er grollte nur sich und dem unbekannten Verräter, durch den sein Ehebruch mit Lady Essex ans Tageslicht gekommen war. Wer hatte den Schleier gelüftet? Wer war dazu imstande gewesen? ... Etwa sie selbst, die kleine Klytaemnestra? – aus Eitelkeit vielleicht, um sich mit ihrer königlichen Beute zu brüsten? ... Oder ihr alter Oheim Northampton, der Kuppler in jener verhängnisvollen Nacht? – wozu aber? um mit der Schande seiner Nichte sich Einfluß und politische Vorteile zu erhandeln? Wenn das Geheimnis durch die mächtigen Kerkermauern gedrungen war, so hatte es sich auch durch die viel dünneren Wände Whitehall's längst Eingang verschafft, hatte wohl gar den Weg bis nach Italien, bis zu Robert Essex gefunden ...

»Hast du Percy's Peitsche gesehn, Thomas?«

»Nein, mein Lord.«

»Aber du hörtest sie sausen?«

»Gehört habe ich Worte, – nichts als Worte, mein Lord.«

»Und du hast die Worte nicht verstanden?«

»Er stammt vom Heißsporn Percy ab, mein Lord. Und wenn er auch nicht stottert, so spricht er doch sehr undeutlich.«

»Allzu deutlich, fand ich –: sonst wäre er nicht allseitigem und so zur Schau getragenem Unverständnis begegnet ... Ich habe Kopfweh, Thomas. Laß uns nach Whitehall zurückrudern.«

In diesem Augenblick trat aus dem Tor der Waffensammlung der Lieutenant des Tower, Sir William Waad, zu ihnen auf den Hof. Er war vorausgegangen, Raleigh den hohen Besuch anzusagen, und kam jetzt melden: Sir Walter freue sich, den Prinzen und Overbury bei sich zu sehn.

Hal nahm des Freundes Arm.

»Zur Flucht zu spät, Thomas! – und kann man denn sich selbst entfliehn? ... Komm! Wer weiß, der große Mann hat vielleicht ein Medikament gegen mein Kopfweh.«


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