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Und wieder strahlte der Juni. Und wieder hatte Ben Jonson den Bitten seiner geistvollen Freundin Lady Bedford nicht widerstehen können und hatte zwei neue Maskenspiele verfaßt: »Die Königinnen-Maske« und »Die Maske von Meliades, dem Herrn der Inseln«. Auf dem großen Rasenplatz des Schloßgartens hielt nun Königin Anna mit den rassigsten jungen Lords und den hübschesten Ehrenfräuleins Theaterproben ab wie einstmals vor der Doppelhochzeit.

Wer aber war Meliades, der Herr der Inseln? In seiner Kindheit hatte Prinz Hal sich gern so nennen hören, doch war der Name nicht von ihm erfunden worden. Niemand anders als Tristan's Vater hatte nach welscher Überlieferung Meliades, Roi de Leonois ( – oder Meliodas, King of Lyonesse) geheißen. In einem Roman des 13. Jahrhunderts, »Le Livre du roy Meliadus«, war er als die Blume des Rittertums verherrlicht: denn nicht befleckt hatte er sein Wappen durch Fleischessünden wie sein berühmterer Sohn ...

Sündenlos fühlte sich Hal nicht mehr, nur noch mit Unbehagen hörte er den verpflichtenden Ehrennamen; sich seiner entledigen konnte er jedoch nicht. Nach altem Herkommen nämlich führte am schottischen Hofe des Königs ältester Sohn den Titel Meliades, Herr der Inseln. Aber auch englischer Thronfolger war Hal und, als solcher, Fürst von Wales und Herzog von Cornwall, – wenn er bisher zwar die Kronen von Wales und von Cornwall noch nicht trug. Das dreitägige Fest seiner Krönung stand jetzt endlich bevor. Am Abend des zweiten Festtages sollte die Königinnen-Maske, und gegen Mittag des dritten Festtages die Meliades-Maske gespielt werden.

Andere englische Prinzen waren jünger gekrönt worden als der nunmehr schon neunzehnjährige Hal. Eine der Ursachen der Verzögerung war, daß der Fürst von Wales und Cornwall einen eigenen Palast beziehen mußte. Ihm zugedacht hatte der König den St. James Palast, – (St. James's Palace) –, dessen Park an den Park von Whitehall grenzte. In diesem einstigen Spital für Aussätzige hatten, nachdem die stickigen Krankenzimmer zu Prunkräumen umgestaltet worden waren, Heinrich VIII. und Anne Boleyn Flitterwochen verlebt. Die Blutige Mary hatte dort auf dem Sterbebette gelegen. Seitdem war das unbewohnte Gebäude in Verfall geraten und hätte, um den Hofstaat eines Fürsten von Wales würdig zu beherbergen, bereits vor zwei Jahren instand gesetzt werden müssen. Doch leerer denn je war damals, nach der Auflösung des Parlaments, die Schatulle des Königs gewesen. Und als schließlich im vergangenen Herbst der Umbau beendet war, starb der Duke of Lenox; und die Hoftrauer schob die Feierlichkeit von neuem hinaus.

Da jedermann wußte, daß mehr als der tote Duke des Königs Indolenz schuld an der Verzögerung trug, erweckte es allgemeine Verwunderung, als im Frühjahr, unmittelbar nach dem Hinscheiden Oriana's, James zu drängen anfing: die Krönung müsse in den ersten Junitagen erfolgen. Manche erklärten sich seinen plötzlichen Eifer damit, daß er den aus Deutschland Anfang Juni erwarteten Besuchern mit glanzvollen Festen Eindruck machen wolle; manche auch munkelten, er sehe einer Überraschung entgegen, im Vertrauen auf einen in Baynard's Castle geschlossenen Pakt: der Widerstand des Hochadels gegen ein neues Idol war ja, dank Lord Cecil's Handstreich, gebrochen.

Die Schneider, Schmuckfederhändler, Schuster und Hutmacher hatten alle Hände voll zu tun. Denn wenn der junge Pfalzgraf zur Krönung kam, so war zu vermuten, daß schon eine Brautkrone bereitlag ...


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