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39

Die Tür ging auf. Lachend wie ein Knabe, der einen Schabernack vollführt, schob sich James herein und humpelte – diesmal auf keines Günstlings Arm gestützt – bis zum Hochzeitsbett. Er kam in Pantoffeln, Schlafrock und Nachtmütze.

So pflegte er es immer zu machen, wenn unter seinem Schutz und Segen eine Vermählung in Whitehall gefeiert wurde. Seines Amtes war es, die jungen Eheleute nach der Brautnacht zu wecken. Er liebte es, sie durch verfängliche, derbwitzige Fragen in Verlegenheit zu bringen. Ungeniert legte er sich mit den Worten »tres faciunt collegium« als dritter aufs Bett, – es wurde sogar bei Hofe gemunkelt, zuweilen sei er nicht auf, sondern unter die Bettdecke gekrochen.

Verletzend ernst nahmen Moray und Anne des Königs Glückwünsche entgegen. Was ihn nicht abschreckte und nicht abhielt, auch an sie anzügliche Fragen zu stellen. Das Erröten der beiden hielt er für eine Wirkung seiner Witze, – es steigerte seinen Humor und versetzte ihn in eine selbstgefällige Gebelaune. Nachdem er Moray eine Schenkungsurkunde über ein südenglisches Schloß – Ambergate Park – überreicht hatte, wandte er sich an Anne Gordon und forderte sie auf, sich von ihm ein Hochzeitsgeschenk – gewissermaßen als Morgengabe – zu erbitten: was auch immer sie sich wünsche, er werde es, wenn es erfüllbar sei, erfüllen. Die Antwort Anne's wirkte auf James wie ein Donnerschlag. Sie sagte:

»Reich beschenken Sie mich, mein Lord, und reich an Dankbarkeit ist mein Herz. Was meine Schüchternheit mir verbot, erlaubt mir Ihre Gnade; und da Sie mich auffordern, einen Wunsch zu nennen, so ist dies mein Wunsch: Fragen Sie nach Lady Arbella Stuart, die seit sechs Jahren verschollen ist, forschen Sie nach, wo das arme Kind hinkam, ob es noch lebt, ob es nicht schlimmer als unter Heiden lebt. Denn ich fürchte, falls Lady Arbella nicht bereits verkommen ist, so verkommt sie in einer menschlichen unmenschlichen Hölle!«

Des Königs Humor verflog. Was sein eigenes Gewissen nicht zu tun gewagt hatte, wagte diese junge Frau –: ihn an seine Grausamkeit zu erinnern. Seitdem Sir Walter Raleigh und dessen Mitverschworenen das Kind Arbella auf den Thron hatten setzen wollen, war in seiner Gegenwart Arbella's Name nie mehr ausgesprochen worden. Anne's Vater, sein damaliger Lord-Schatzmeister George Gordon, Marquis of Huntley, hatte ihm damals mit eisernen Lippen gesagt:

»Lassen Sie mich dafür sorgen, mein Lord, daß das Kind verschwindet. Völker sind wie Liebende: ausencia enemiga de amor. Die Verantwortung vor Gott und den Menschen trage ich, – dafür fordere ich von Ihnen, mein Lord, daß Sie nie nach dem Kinde fragen.«

Und wirklich, James hatte nie gefragt. Sogar seinen Gedanken hatte er verboten, zu Arbella hinzuwandern ...

Mißtrauisch, mit gekränktem Unterton, erwiderte er Anne:

»Was ich versprach, werde ich selbstverständlich halten. Doch – wer hat Sie darauf gebracht? ...« »Mein Vater. Während seiner letzten Krankheit überfiel ihn eine große Angst vor den Höllenstrafen, dem Jüngsten Gericht, der ewigen Verdammnis. Wenige Stunden vor seinem Tod rief er mich an sein Bett und stöhnte: von allen seinen Sünden sei dies die unverzeihlichste, daß er das Kind Arbella einem rohen Menschen zur Hut übergeben, einem herzlosen, geradezu viehischen Menschen – ich wiederhole die Worte meines sterbenden Vaters, mein Lord! –, und daß alles Niederträchtige ihm zuzutrauen sei ...«

»Und das erfahre ich heute – nach sechs Jahren! So werden wir Könige hintergangen! ... Aber ich wasche meine Hände wie Pilatus! Ihr Vater trägt die Verantwortung – falls das Ganze nicht eine Fieberphantasie war. Was wird nicht alles auf Sterbebetten geredet. Ich bin überzeugt, es war seine Krankheit, die aus ihm sprach!«

»Ja, gewiß, mein gnädiger Lord, – es war die Krankheit seiner Seele: denn er sollte bald vor dem höchsten Richter stehen, vor dem nichts verborgen ist!«

»Wir irdischen Richter haben es schwerer, allwissend zu sein! ... Nun, ich werde die Sache untersuchen ... – mit eigenen Augen, das versteht sich. Ans Licht der Sonne habe ich schon manches gezogen. Meine Untergebenen haben hundert Argusaugen und nicht ein einziges, das sieht! – zum Glück hat mir der Schöpfer sehende Augen verliehen!«

Das Bewußtsein, der Salomo Englands zu sein, gab seinem Humor das Gleichgewicht zurück. Er plauderte, als hätte er den Donnerschlag schon vergessen, zitierte jovial Catulls Hochzeitsgedicht und tänzelte humpelnd hinaus.


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