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Der dritte (letzte) Tag des Meliades-Festes wurde durch ein glanzvolles Lanzenbrechen gefeiert. Den Kranz jedoch reichte dem jungen Helden des Turniers nicht seine Liebeskönigin: Kopfweh vorschützend, hütete Lady Seymour ihr Zimmer.

Den Waffentanz leitete Ben Jonson's Meliades-Maskenspiel ein. Die königliche Familie und der Hofstaat waren im Audienzzimmer versammelt, als dröhnenden Schrittes drei Geharnischte, altertümlich gewappnet wie Ritter des großen Artus, – (der ja der vorbildliche Fürst von Wales und Cornwall gewesen) – über die Schwelle traten und in schlicht vorgetragenen Versen verkündeten:

König Artus strahlt am Firmament;
Und sein Stern, der sich Arcturus nennt,
Ist Fanal im Sturm und Leitgestirn
Rittern, die wie wir das Meer durchirrn.
Fremde Völker sahn wir, Länder fern,
Denn vom Herrn der Inseln, unserm Herrn
Meliádes, sind wir ausgesandt,
Nachzuforschen, ob in einem Land,
Ob bei einem Volk auf unsrer Erde
Tugend noch und Stolz gefunden werde.
Doch umsonst trug uns des Schiffes Kiel
In die Ferne, – fern blieb uns das Ziel;
Nicht erreichten wir's auf Indias Boden,
Nicht im Paradies der Antipoden,
Nicht am Glutenstrand der Perlenfischer,
Nicht an Blumenküsten (träumerischer
Als das Traumland!), wo auf Totenknochen
Knabenschlanke Fraun ununterbrochen
Liebe heischend, locken, stöhnen, winseln ...
Erst hier in Britanniens Wunderinseln
Fanden wir nach langer Irrfahrt endlich
Tugend, Ritterstolz (am Hochsinn kenntlich),
Herzen, die des Grals Gesetze hüten.
Seines Heldentumes erste Blüten
Möchte unser Herr erfreut deswegen
Euer Majestät zu Füßen legen,
Euch, Ihr Ladies, auch – als Strauß im Strauß!
Eure Ritter fordert er heraus,
Lädt zum Waffentanz sie ein, zum Stechen
Im Turnier: sie sollen Lanzen brechen

mit ihm und seinen sechs Mitstreitern, den Lords Arundel, Fitzwarren, Doncaster, Sidney, Southampton und Moray.

Der hingeworfene Handschuh wurde mit Jubel aufgehoben: es meldeten sich sechsundfünfzig Kämpfer.

Einer der großen Rasenplätze des Parkes war in eine Arena verwandelt worden. Man hatte Tribünen errichtet und einen Pavillon aufgestellt mit einem Thronsessel für den König und Polsterstühlen für die königliche Familie, die deutschen Prinzen und die Gesandten.

Als erste ritten Prinz Hal und seine sechs Kampfgenossen in die Turnierschranken. Ein blendendes Lichtgefunkel war der Aufzug des Prinzen: schwarz und weiß gestreift die sein Pferd völlig hüllende Decke, schwarz und weiß sein bis zur Kruppe hin flatternder atlassener Mantel; er selbst schimmerte mondhaft in einer Silberdrahtrüstung. Die Farben Southampton's waren karminrot und weiß, die Sidney's orange und blau. Doncaster's mit blitzendem Gold eingelegten Harnisch zierte ein fliegender Phönix, den Fitzwarren's ein Salamander.

Das gegnerische Geschwader ritt nun auch in das eingefriedete viereckige Feld. Doch nicht alsbald begann das Lanzenstechen. Erst sollte Seiner Majestät und den Ladies eine Charge, ein prächtiges Reiterstück, vorgeführt werden. War es doch seit alters Brauch, daß Turniere so eröffnet wurden.

Vierundzwanzig grau und violett gekleidete Pagen Suffolk's, alle zu Pferde, befanden sich dem Pavillon gegenüber am entgegengesetzten Ende der Umzirkung. Einer von ihnen trug ein dem König zugedachtes Geschenk: ein grünseidenes Banner mit der darauf gestickten Devise: Litterarum sum et ero Maecenas amantissimus.

Als gelte es, einen unsichtbaren Feind zu überrennen, galoppierten die Pagen auf den Pavillon zu und parierten erst dicht vor dem Brokatzelt ihre schnaubenden Tiere. Der Bannerträger wollte aus dem Sattel springen, dem König die Devise zu überreichen. Doch im selben Augenblick bäumte sein wildes Vollblut, dem er das Maul mit der Kandare blutig riß, und warf ihn in weitem Bogen ab.

Nicht nur Frances und andere Ladies kreischten auf, – auch James stieß einen bangen Schrei aus. Er hatte Narziß erkannt.

Totenblaß, besinnungslos lag der schöne junge Mensch auf der Erde. James verließ den Pavillon und hinkte zu ihm hin ... War er tot? – Kaum gefunden und schon verloren? ...

Nein! – Satans Herz war milde diesmal! ... Der herbeigerufene Hofchirurg Dr. John Craig kniete neben dem Regungslosen, behorchte ihn und stellte fest: nicht tot sei der Jüngling; – nur sein Bein sei gebrochen.

Da befahl James, den jungen Menschen in den Palast zu tragen, ihm eines der besten Zimmer zu geben. Er selbst begab sich dahin, um mit eigenen Augen sich zu überzeugen, daß der Kranke gut gebettet werde.

Und er blieb am Bette des noch immer besinnungslosen Robert Car.

Vor einem leeren Thronsessel wurde das Turnier ausgefochten.


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