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34

Grau wird das strahlendste Fest, wenn ungeladen der Tod, gleichviel in welcher Vermummung, sich einfindet und unter die Gäste sich mischt; und auch wenn er ohne zu schaden von dannen schied, will keine Freude mehr aufkommen: krampfhafte Lustigkeit und Galgenhumor verraten die Beklommenheit der Herzen.

Trotz freundlichster Einladung lehnte Hal es ab, den Rest des Abends in der Taverne zu verbringen. Er versprach ein andermal zu kommen; – diesmal war die Stimmung ja doch getrübt.

Auch Legat, zutiefst erschüttert durch das Erlebte, wollte heim. Hobbes, Tondeur, Dekker und andere seiner Freunde erklärten, sie könnten ihn nicht allein gehn lassen, sie müßten ihn nach Hause begleiten. Doch der Prinz widersprach und erbot sich, ihn bis an sein Haus zu bringen: ein besserer Schutz als eine Legion von Dichtern würden er und Overbury für Legat sein, falls Crew den wahnwitzigen Versuch machen sollte, ihm im Nachtgrauen aufzulauern.

Von der Mermaid bis zur Paternoster Row, wo Legat wohnte, war es nicht weit, wenn man in der Cheapside bleibend geradeaus auf die St. Paul's Kathedrale zuging. Weil aber Crew in nördlicher Richtung entschwunden war, wählte Hal einen Umweg über die südlich der Cheapside, parallel zu ihr und zum Fluß, sich hinziehende Thames Street. Die prinzlichen Fackelträger folgten in angemessener Entfernung.

Unterwegs sagte Hal:

»Tausend Fragen möchte ich an Sie richten, Master Legat. Einen Menschenfresser habe ich schon einmal gesehn, einen kupferbraunen, – aber noch nie einen leibhaftigen, weißhäutigen Atheisten. Ich kann es kaum glauben: Sind Sie wirklich einer?«

»Die Dankbarkeit, gnädiger Lord, verbietet mir, meinen Lebensretter zu belügen. Wenn Serjeant Crew mich fragen würde, würde ich – sogar auf dem brennenden Holzstoß noch – stolz antworten: ja, ich bin ein Atheist!«

»Und was antworten Sie mir?«

»Es gibt so unendlich viele Götter, mein gnädiger Lord. Jedes Tier und jeder Mensch hat einen andern Gott. Und kein Gott gleicht dem andern. Der des Serjeant Crew und meiner – was haben die miteinander gemein? So sternallgroß, so abgrundtief, so übergewaltig ist mein Gott, daß kein menschliches Wort sich mit meiner Vorstellung von ihm deckt – nicht einmal das Wort Gott!«

»Spricht so ein Atheist?«

»Von Lord Verulam«, bemerkte Overbury, »hörte ich einst den Ausspruch: wer mit dem Munde ein Atheist ist, ist es nicht im Herzen. Und ich möchte hinzufügen: das gleiche läßt sich von Christen sagen: wer mit dem Munde ein Christ ist, ist es nicht im Herzen. Das eben macht mir die Puritaner so widerwärtig ...«

»Und weißt du, warum besonders, Thomas? Weil Bekennertum spottbillig ist, wenn man nicht den Löwen in der Arena zum Fraß dient und nicht als Pechfackel Neros lodert. Unter der Blutigen Mary, meiner lieben Tante, war das anders: damals gehörte noch Charakter dazu, eine winzige Halskrause zu tragen.«

»Wie heutzutage einen Rosenkranz, mein Lord,« sagte Overbury, »oder das Abzeichen der Atheisten, das ich nicht kenne.«

»Haben die Atheisten ein Abzeichen?« fragte Hal.

»Ein Kainsmal auf der Stirn, mein gnädigster Lord, – falls es solch eine Brüderschaft gibt!« versetzte Legat.

»Wir wollten Sie nicht kränken, Master Legat! Nicht wahr, Thomas? ... Mir scheint fast, als hörte ich eine Enttäuschung aus Master Legat's Worten heraus, daß wir sein Märtyrtum vereitelt haben.«

»Nicht weniger entsetzlich als erhaben ist es, mein gnädiger Lord, zu sterben, wie mein Lehrer Giordano Bruno starb, – für eine Idee, für eine Lehre. Ich maße mir nicht an, die Dornenkrone wie er zu verdienen. Bisher warf ich der Schulweisheit den Handschuh noch nicht hin; mein Lehrgebäude ist noch nicht errichtet; – und habe ich denn Schüler?«

»Wollen Sie mich zum Schüler haben?« fragte Hal. Es klang beinah spöttisch.


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