Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

23

Was die Nachtprobe in der Privy Chamber der Königin bis in die Morgenstunden hinzog, war nicht so sehr das Memorieren der Masken, als ein letztes Feilen an einem heimlich eingeübten Schaustück, das nicht nur für Hal eine Überraschung werden sollte. Der Tänzer Master Cardel hatte im Auftrage der Königin deren jüngerem Sohne, dem jetzt zwölf Jahre alten Prinzen Charles, und zehn ungefähr gleichaltrigen kleinen Ladies, lauter Töchtern der höchsten Earls, eine Pantomime und einen Tanz einstudiert. Die älteste unter den Mädchen, wenn auch immer noch ein halbwüchsiges Kind, war Lady Catherine Howard, die Schwester der Lady Essex.

In letzter Stunde wurde nun versucht, dem Duke of York eine freiere Körperhaltung, einen leichteren Schritt beizubringen. Die zehn entzückend schwebenden Elfen stellten ihn allzusehr in den Schatten. Selbst die Königin, deren Abgott er war, gestand sich's ein, daß er trotz wochenlangen Übens die ihm angeborene Steifheit nicht abgelegt hatte. Seine rachitischen Säbelbeine ließen sich ebenso wenig gerade biegen wie sein unbiegsamer Charakter. Er war ein verschlossenes, versonnenes Kind, sofort verletzt, wenn der Tanzmeister ihn zurechtwies.

Während Hal mit leidenschaftlicher Zuneigung an seiner Schwester Elisabeth hing, liebte er seinen jüngeren Bruder nur wenig. Vielleicht weil die Mutter Charles allzu offensichtlich bevorzugte, – sie, die ihren beiden älteren Kindern stets jede Herzlichkeit versagt hatte. Wie einem kleinen Beichtvater pflegte sie alles, was ihr Herz bewegte, ihrem Lieblingssohne auszuplaudern; sie erbat sich seinen Rat, sie nahm ihn ernst, wie wenn er ein Erwachsener wäre. Und schon als Zwölfjähriger nahm Charles sich ernst, allzu ernst. Das silberne Lachen seiner Großmutter Mary Stuart war ihm nicht vererbt. Hal, gern gewohnt, sich selbst zu bespötteln, verargte dem Jüngeren, daß er keinen Scherz vertrug. Einmal setzte er ihm eine Bischofsmütze auf den Kopf und lachte: »Werde anglikanischer Bischof, Charley, – zu was anderm taugst du nicht! ...«

Die kleinen Ladies hatten eben den cinque pace – einen altfranzösischen Reigen – zu tanzen begonnen, da berührte die Königin mit ihrem Schildpattfächer den Arm Arbella's und gab ihr ein Zeichen. Unauffällig begaben sich beide in ein angrenzendes Gemach.


 << zurück weiter >>