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23

So wie fast alle Hofleute damals, hatten – fliehend vor der Pest – auch Overbury und sein gelähmtes Weib Oriana in Hampton Court ein gastliches Asyl gefunden. Da beide lebensklüger waren als Leyburne, glaubte er meistens, auf der Hut vor ihrer Bevormundung sein zu müssen, – und heute mehr noch als sonst.

»Oriana schickt mich, Steffen ... Sie zweifelt, ob dein Glück – dein Glück sein wird.«

»Kann ich meinem Glück die Tür weisen? ... Und warum zweifelt Oriana?«

»Sie meint, du willst am Ende gar nicht, was du willst. Sie bittet dich, zu bedenken, daß du am Kreuzweg stehst.«

»Zur Hölle führen viele Wege, Thomas! ... Mag Satan mich holen – du hast doch nur Vorteil davon; du als mein Schwager bist ein gemachter Mann, wenn ich zur Macht gelange! ... Nein, nein, Oriana kann sich beruhigen: ich fürchte mich nicht, ein Günstling des Schicksals zu werden!«

»Warum sagst du nicht – des Königs? ...«

»Ich weiß, was ich will, Thomas!«

»Gut, dann laß uns kein Wort mehr darüber verlieren. Wolle aber auch ganz, was du glaubst wollen zu müssen: wer sich auf einen Felsgrat wagt, darf nicht fehltreten! ... Und nun komm in den Audienzsaal: fieberhaft ist unten die Erregung: sie alle erwarten dich wie die Sterne den Mond!«

Mit Leyburne auf den Korridor hinaustretend, stutzte Overbury und zeigte auf die Türschwelle.

»Da sind ja Blutstropfen, Steffen ... Hm, kein gutes Omen für den heutigen Tag!«

»Aus Blutstropfen werden Blumen!« murmelte Leyburne.

»Ja, Steffen, Veilchen des Adonis oder Attis, des Zu-sehr-geliebten ...«

Im glückberauschten Bewußtsein Leyburne's waren die Einzelheiten des Diebstahls so in den Hintergrund gedrängt, daß er sich anstrengen mußte, sie ins Gedächtnis zurückzurufen. Er hockte nieder und betrachtete das Blut, das er bis dahin nicht bemerkt hatte. Jetzt erst fiel ihm ein, daß die Dolchklinge von der Diebeshand umkrallt worden war. Also mußte der Dolch den schwarzen Handschuh durchschnitten und auch die Hand verletzt haben. Also ließ sich an einer Wunde oder Narbe die Schuld untrüglich dartun ...

Und nun berichtete er von seinem nächtlichen Erlebnis, von der Königin von Saba, von der goldenen Ratte, vom schwarzen Dieb, der wie eine große Eidechse in den Korridor glitt und der niemand anderes sein konnte als Sir Gervaise Helways.

»Hast du das William Fowler erzählt, Steffen?«

»Nein, ich kam nicht dazu ...«

»Also wissen es nur du und ich? ... Höre, Steffen, – niemand darf es erfahren!«

»Warum nicht?«

»Helways ist ein gefährlicher Mensch.«

»Bin ich ein Feigling?«

»So wenig ein Feigling, daß ich bedaure, das ausgesprochen zu haben. Denn aus Trotz und um deinen Mut zu beweisen, wärst du fähig ...«

»Einen Schurken einen Schurken zu nennen! Und das werde ich tun!«

»Dann wird so schnell wie dein Aufstieg auch dein Abstieg sein!«

»Warum in aller Welt? Das verstehe ich nicht!«

»Warum? Erstens, weil der König von dir Glanz und ein heiteres Gemüt erwartet. Ein von dir entfachter Streit, eine Anklage, ein aufgedecktes Verbrechen werden den König verstimmen und gegen dich umstimmen ... Und zweitens, weil Helways zu klug ist, sich überführen zu lassen. Wer sah ihn außer dir? Du hast kein Beweismittel!«

»Die Blutstropfen, Thomas!«

»Die können schon gestern, vorgestern oder wer weiß wie lange hier auf der Schwelle gewesen sein, ohne daß du sie entdecktest. Hast du sie denn heute bemerkt? Von einem Pagen, der heißes Waschwasser brachte, oder von sonst wem können sie herstammen.«

»Wenn aber Helways eine Wunde an der Hand hat?«

»Wenn! Das vermutest du! Weißt du's aber? ... Und wenn ..., – kann nicht jedermann sich die Hand geschrammt haben? Was beweist das? ... Nein, nein, Steffen, – ich will dir ehrlich gestehen, welchen Eindruck ich hatte, als du mir's erzähltest: entweder alles war Wirklichkeit, die Königin von Saba knickste wirklich vor dir, du warst leibhaftig bei Dagon im Tempel zu Asdod, du lagst wirklich und wahrhaftig in der Bundeslade, die goldene Ratte blinzelte und sprang tatsächlich unter dein Bett, der schwarze Teufel schob den Fuß vor und trug den Goldsack auf dem Rücken, rang mit dir, rannte den Korridor entlang; – oder alles das war ein und derselbe sich bunt verwandelnde Traum, ein Truggespinst der Feenkönigin Mab!«

»Seltsam. Mir selbst kam heute früh der Gedanke, ich könnte es geträumt haben ...«

»Und wie, wenn der König und andere auf den gleichen Gedanken kämen? Als Verleumder stündest du da, blamiert vor aller Welt. Verscherze dein Glück nicht, Steffen. Das Geheimnis, das wir zwei nur kennen, laß uns zwei heimlich versargen und begraben! Versprich mir, daß du schweigen wirst, Steffen!«

Leyburne versprach es.


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