Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

3

Der Tod Sir Arthur Brett's war der blutige Abschluß eines Hofskandals, dessen erste Phasen mehr bespöttelt als verdammt worden waren. Nachdem es zutage lag, daß Arbella keinerlei Aussichten mehr hatte, Favoritin zu werden, entdeckten in Whitehall einige Jünglinge ihre eigene Schönheit und begannen, ermuntert durch den Zuspruch von Verwandten und Freunden, sich übermäßig zu parfümieren, sich Gesicht und Hände mit Sahne zu waschen und sich auffallend kostbar zu kleiden. Es war eine Art Brautschau. Seine Majestät lächelte sie alle gleich freundlich an, hatte also noch keine Wahl getroffen. Dann aber wurde gemunkelt: eine wunderschöne Wachspuppe sei dem König gezeigt worden und habe ihm ausnehmend gefallen. Und nun lud der alte Junggeselle Northampton Seine Majestät in sein zwei Meilen nördlich von London gelegenes Landgut und Schloß Audley Inn ein und führte dem hohen Gast eine feenhafte Pantomime vor: Diana, von ihren hochgeschürzten Nymphen begleitet, findet am Ufer eines Teiches einen im Wasser sich spiegelnden Narziß. Das lebende Urbild jener Wachspuppe war der Narziß, ein gewisser Robert Car. Diana selbst wurde von Sir Arthur Brett dargestellt; und drei mit silbernen Bogen schießende Mädchen der Göttin waren Sir William Brooke, Sir Henry Mildmay und Sir William Monson. Die übrigen Nymphen aber waren Schulbuben, deren zeitweiliges Verschwinden aus London viel Aufsehen und böses Blut verursacht hatte. Das lukullische Mahl, das nach dem lebenden Bilde die Darsteller, den greisen Gastgeber und den königlichen Zuschauer an einer im Garten gedeckten, vom mystisch verschleierten Vollmond beleuchteten Tafel vereinte, hätte vielleicht zu einer Orgie ausarten können; – dazu jedoch kam es nicht: denn schon während das erste Gericht, eine Artischockenpastete, serviert wurde, umringten plötzlich, wie aus der Erde gestampft, der alte Feuerkopf Lord Oberrichter Coke und einige Dutzend Constables die fröhlich Tafelnden und legten den geschminkten halbnackten Nymphen, dem Narziß, der Göttin, dem Earl und dem König Handschellen an. Prachtvoll zu boxen verstanden die Nymphen und setzten sich mutig zur Wehr; doch was half es, sie waren in der Minderzahl, – sie wurden mit empörender Brutalität windelweich geschlagen und trugen blutige Striemen, Beulen und blaue Mäler davon. Durch den Vater eines der Schulbuben war nämlich die Polizei von der sonderbaren Schaustellung verständigt worden und hatte den Park beschlichen, ohne zu ahnen, für welches hohen Protektors Augen Diana und ihre Mädchen die Jagd veranstalteten. Im Trubel wurde James von den Bütteln nicht erkannt, sein cäsarenhafter Ausruf: »Weißt du nicht, daß ich dein König bin?« fand keinen Glauben. Eine geraume Zeit dauerte es, bis das Mißverständnis sich aufklärte und der Lord Oberrichter Coke, am ganzen Leibe zitternd, Seiner Majestät die Handschellen abnahm.

Seine Majestät hielt sich das Taschentuch an die blutende Nase, während Coke fassungslos Entschuldigungen lallte. Auch Seine Majestät empfand das Bedürfnis, sich zu entschuldigen: es sei ihm verschwiegen worden, welchen Geschlechtes Diana und ihre juvenculae seien, – andernfalls hätte er die Einladung nicht angenommen ...

Um den Skandal zu vertuschen, begnadigte er die Constables, die ihn gepufft und auf die Nase geboxt hatten, verzieh dem Oberrichter und ordnete die Freilassung der Gefesselten an.

Nach Whitehall zurückgekehrt, weinte er eine Woche lang fast ohne Unterbrechung. Und dann befahl er dem Oberzeremonienmeister Sir Lewis Lukenor, die parfümierten, mit Sahne sich das Gesicht waschenden Jünglinge Monson, Brett, Mildway und Brooke in Zukunft bei Hofe nicht zuzulassen. Es sei sein Wunsch, daß diese – und auch ein Mensch namens Robert Car – ihm nie wieder vor die Augen kämen ...


 << zurück weiter >>