Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

32

Die Sonne ging unter, als Hal und Overbury den Tower durch das westliche Tor – The Lion's Gate – verließen. Nicht durch das Verrätertor, wo beim Hinweg das prinzliche Boot angelegt hatte. Zwei Fackelträger wurden zur Friday Street vorausgeschickt (denn noch war es dämmerhell); die andern Pagen erhielten Befehl, zur London Bridge zu rudern und dort auf den Prinzen und seinen Freund zu warten.

Denn Hal sehnte sich nach Zerstreuung. Die Kirmes der Hölle in seinem Herzen hoffte er mit lärmendem Vergnügen übertäuben zu können. Darum bat er Overbury, ihn in die Mermaid Tavern zu führen, wo der von Raleigh gegründete Dichterklub immer noch tagte.

Durch die engen, schmutzigen, dunklen Gassen schritten sie wie Fremde nebeneinander her. Einsilbig beide, und jeder des anderen Hellsichtigkeit fürchtend. Schließlich ertrug es Hal nicht länger, er blieb stehn.

»Du weißt, wer Klytaemnestra ist, Thomas?«

»Darf ich das wissen, mein Lord?«

»So hilf mir doch, Thomas! Du siehst doch, ich ersticke an meiner Reue! ... So hilf mir doch ein wenig, den Riegel hier von der Brust zu schieben, damit der Schlamm herauskann!«

»Ich wagte nicht, mein Lord! Da Sie selbst mich auffordern, bitte ich Sie: reden Sie! reden Sie! – es wird Sie befreien!«

»Wird es mich auch von der Sünde befreien?«

»Wozu das Versteckspiel, mein Lord! Wir sprechen von Sünde und Klytaemnestra und meinen Lady Essex. Wer die Schrift Gottes auf Menschengesichtern zu entziffern versteht, weiß, daß dies unschuldige Frätzchen ein kindlicher Teufel ist!«

Stockend und mit Tränen kämpfend, berichtete Hal dem Freunde, wie er in jener Spätsommernacht, nachdem sie den Totentänzern begegnet waren, vom Earl of Northampton zum Trinken eingeladen wurde, und wie er dann in seinem Bett Frances fand. Seitdem war er noch mehrmals ihrer Verführung erlegen.

Overbury konnte sein Entsetzen nicht verbergen.

»Zwei Kinder, – barmherziger Gott! Und ein verlebter Greis mischte den Taumeltrank! ... Eins müssen Sie mir versprechen, mein gnädigster Lord: nie wieder, nie wieder! ...«

»Als es zum erstenmal geschah, schwor ich mir, es müsse das letztemal sein und bleiben. Ach Thomas, sie ist ein so süßes Gift, so kätzchenhaft und weiß und weich ...«

»Man muß den Teufel durch Beelzebub austreiben!« murmelte Overbury.

»Durch welchen Beelzebub?« fragte Hal. »Willst du mich in Bordelle führen, Thomas?«

Doch Overbury gab keine Antwort.


 << zurück weiter >>