Christoph Martin Wieland
Aristipp
Christoph Martin Wieland

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I.

Ichthyofagen, (Fischesser) diejenige Klasse der rohen Naturmenschen, die sich hauptsächlich vom Fischfang nähren.

Idioten. Das Wort Idiot (ιδιωτης) bezeichnet in seiner ganzen Stärke einen schlecht erzogenen, daher unwissenden und in den Geschicklichkeiten und Kenntnissen, worauf die Erziehung bey den Griechen gerichtet war, unerfahrnen, an Vorstellungsart, Sitten, Gesinnungen und Manieren pöbelhaften Menschen, und ist in so fern dem αγαθος oder καλοκαγαθος entgegen gesetzt und mit απαιδευτος (ungebildet) ziemlich gleichbedeutend.

Iynx, (der Vogel Wendehals) ein bey den Alten berüchtigtes Zaubermittel, dessen sich die vorgeblichen Zauberkünstler, Thessalischen Hexen und ihres gleichen bedienten, um durch magische Gewalt verschmähten Liebhabern Gegenliebe zu verschaffen. (S. Theokrits Farmaceutria, wo der Iynx gleichsam die Hauptrolle spielt.) In metaforischem Sinn ist also dieses Wort mit Liebreitz, in so fern es etwas zauberisch anziehendes ist, einerley.

K.

Kalokagathen (καλοκαγαθοι). Was man damahls zu Athen einen Kalokagathos nannte, war mit dem, was die Engländer a Gentleman, und die Franzosen un galanthomme nennen, ziemlich gleichbedeutend. Öfters bezeichnet es auch so viel als eine Person von vornehmer Geburt und Erziehung. In der moralischen Bedeutung, da es so viel als schöngut, oder gutedel heißt, scheint es vom Sokrates zuerst genommen worden zu seyn.

Kanon, Regel, Musterbild. Eine gewisse Bildsäule Polyklets wurde als Muster der richtigsten und in der schönsten Eurythmie und Harmonie stehenden Verhältnisse aller Theile des menschlichen Körpers von den Bildhauern der Kanon genannt.

Katachresis, eine fehlerhafte Redefigur bey den alten Grammatikern, wenn ein Wort auf eine ungewöhnliche und auffallende Art gegen seine wahre Bedeutung genommen wird. (Die nothwendigen und daher nicht zu tadelnden Katachresen, wovon Quinctilian spricht, gehören eigentlich nicht in diese Rubrik, und sollten billig einen andern Nahmen haben.)

Kechenäer, (Gähnaffen, Maulaufsperrer,) ein Spottnahme, welchen Aristofanes den Athenern giebt, um die sinn- und zwecklose Neugier, Leichtgläubigkeit und Unbesonnenheit, die zu den Hauptzügen ihres Volkskarakters gehörten, mit einem angemeßnen Worte (das von dem dummen Schnabelaufsperren der Gänse und der jungen Vögel, wenn sie von den Alten geätzt werden, hergenommen ist) zu bezeichnen.

L.

Leptologie, Spitzfindigkeit oder übertriebene Subtilität in unnützen und außerhalb des menschlichen Gesichtskreises liegenden Spekulazionen.

M.

Meteoroleschie, ein Aristofanisches Wort, um der Sofisten (Pseudo-Filosofen) zu spotten, welche von den Dingen aber uns, die man damahls Meteoren hieß, mehr schwatzten als sie wußten. Das Beywort meteorisch erklärt sich hieraus von selbst.

Milanion, ein seiner Schönheit und Stärke wegen berühmter Athlet.

Mina eine fingierte Münze, welche 100 Drachmen enthielt und deren 60 ein Attisches Talent ausmachten. Man kann sie, ohne einen beträchtlichen Rechnungsfehler, für 22 Reichsthaler Konvenzionsgeld annehmen.

Moira, das Verhängniß; in der mehrern Zahl, die Parzen.

Moly, eine talismanische Pflanze von Homers Erfindung, (Odyss. X.) welche Ulysses vom Merkur als ein Gegenmittel gegen die Bezauberungen der schönen Circe erhielt.

Munychion, der zehnte Monat der Athener, der dem letzten Drittel des Aprils, und den zwey ersten des Mays entspricht.

Mystagog wurde bey den Eleusinischen und andern Mysterien derjenige Priester genannt, der die Aspiranten in das Heiligthum zum Anschauen der Geheimnisse einführte, und ihnen das, was sie hörten und sahen, erklärte. Man begreift hieraus, in welchem Sinne Platons Diotima in Aristipps Symposion scherzweise die Mystagogin der Liebe genennt wird.

N.

Nefelokokkygia (Wolkenkukkuksheim) nennt Aristofanes die Stadt, die er die Vögel unter Anführung des Athenischen Abenteurers Peisthetäros den Göttern zu Trotz in die Wolken bauen läßt.

Nireus, »der schönste der Männer, die gegen Ilion zogen.« Il. II. 671.

Nymfolepsie, der fanatische, dem Wahnsinn ähnliche Zustand, worein (wie die Alten glauben) diejenigen geriethen, die eine Nymfe unversehens ansichtig wurden.

O.

Obolen. Ein Obolus war der sechste Theil einer Drachme, also ein Triobolon ungefähr so viel als ein halbes Kopfstück.

Olympiade, der Zeitraum von vier Jahren, der von einer Feier der Olympischen Spiele bis zur nächstfolgenden verstrich, und der gewöhnlichsten Zeitrechnung der Griechen zum Maß diente.

Orchomenos, eine Stadt in Böozien, wo die Grazien vorzüglich verehrt wurden. (S. Pindars letzten Olympischen Siegsgesang.)

Ostracism, eine Art außerordentliches Gericht, worin das versammelte Athenische Volk einen Bürger, dessen Gegenwart und Einfluß sie der Republik für schädlich hielten, auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit des Landes verwies; übrigens seiner Ehre und seinem Vermögen unpräjudicierlich.


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