Christoph Martin Wieland
Aristipp
Christoph Martin Wieland

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XXXVI.
Aristipp an Lais.

Du wärest wahrscheinlich die erste, schöne Lais, die den Sprung von Leukadia thäte, um eine Glückseligkeit los zu werden, wegen welcher du von allen Schönen Griechenlands beneidet wirst. Hoffentlich soll es dazu nicht kommen, wenn anders die Leidenschaft des königlichen Arasambes nicht von einer so unzerstörbaren Natur ist, daß alle Mittel sich hassen zu machen, die ein reitzendes Weib in ihrer Gewalt hat, an ihm verloren gehen sollten. Du würdest mich billig auslachen, wenn ich mir heraus nähme, den Delfin, (wie das Sprüchwort sagt) schwimmen zu lehren, und dir einige dieser Mittel vorzuschlagen, die ich für unfehlbar halte! Ich sehe wohl, es liegt nicht daran, daß du sie nicht kennen solltest; du kannst dich nur nicht entschließen Gebrauch davon zu machen; und freylich wär' es eine seltsame Zumuthung, von dir zu verlangen, daß du weniger liebenswürdig seyn solltest, weil ein anderer das Unglück hat, dir mit seiner Liebe beschwerlich zu seyn. Doch getrost, meine Freundin, ich sehe das Ende deiner unerhörten Leiden schneller, als du hoffest, heran rücken. Wäre die Schwärmerey, womit der arme Arasambes behaftet ist, wechselseitig gewesen, so würde sie sich, wie alles Übermäßige, schon lang' erschöpft haben. Bloß der Umstand, daß ihm immer noch so viel zu wünschen übrig bleibt, und daß du ihn immer ahnen lässest, du hättest noch weit mehr zu geben, ist die Ursache, daß seine Leidenschaft gerade durch das, was andre Liebhaber gewöhnlich abkühlt, immer heißer werden muß. So lang' er noch hoffen kann, dich endlich eben so warm zu machen als er selbst ist, verdoppelt er seine Bemühungen; wenn er aber alles versucht hat ohne seinem Ziele näher gekommen zu seyn, was bleibt ihm übrig? Er muß und wird endlich, vielleicht ohne sichs gestehen zu wollen, ermüden. Du wirst immer zerstreuter und kaltsinniger, Er, dem deine leisesten Bewegungen nicht entgehen, immer unruhiger und mißmuthiger werden. Er wird es unnatürlich finden, daß so unendlich viel Liebe dich nicht endlich überwältigen könne, und wird nicht aufhören, die Ursache davon ergründen zu wollen. Unvermerkt wird eine Eifersucht sich seiner bemächtigen, die desto peinlicher für ihn seyn wird, da sie keinen Gegenstand hat, und du selbst, deiner vorsetzlichen Langweiligkeit unbeschadet, immer eine heitre Stirne zeigst, alles vermeidest, was Verdacht in ihm erregen könnte, und alles thust, was dein Verlangen ihm gefällig zu seyn beweisen kann. Du tanzest so oft und so lang' er will; singst, sobald er es zu wünschen scheint, ohne dich einen Augenblick bitten zu lassen; kleidest und putzest dich immer nach seinem Geschmack, und bedankst dich für einen Fönix, den er mit schweren Kosten aus Panchaia für dich kommen läßt, eben so artig als für einen Blumenstrauß aus seinen Gärten; kurz, du thust alles, was ein Mann nach einer zwanzigjährigen Ehe von der gutartigsten Hausfrau nur immer erwarten kann. Wenn er diese Diät länger als sechs Wochen aushält, so nenne mich den unwissendsten aller Menschen! Nun versuch' es, und sag' ihm, in einer Stunde, wo du seine feurigsten Liebkosungen mit der matronenhaftesten Würde und Ruhe geduldet hast: »wie zärtlich auch die Sympathie zwischen zwey Liebenden seyn möge, so sey es doch wohl gethan, sich von Zeit zu Zeit einer kleinen Trennung zu unterwerfen;« bitte um seine Einwilligung zu einer Luftveränderung in Ägina, und rathe ihm auf etliche Monate nach Susa oder Ekbatana zu gehen; du wirst sehen, daß er sich mit der besten Art von der Welt dazu bequemen wird. Mein Dämonion müßte mich zum ersten Mahle betrügen, Laiska, wenn dieß nicht das unfehlbarste Mittel ist, uns binnen zwey Monaten in deiner Rosenlaube zu Ägina, unter den Augen der freundlichen Grazien – wieder zu sehen!


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