Christoph Martin Wieland
Aristipp
Christoph Martin Wieland

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XVIII.
Learchus an Aristipp.

Die Gemählde sind glücklich angelangt, und bereits in meinem großen Sahl mitten unter den Werken der berühmtesten Meister aufgestellt. Ich danke dir sehr, lieber Aristipp, daß du mir vor andern Liebhabern den Vorzug hast geben wollen; und auch das ist mir lieb, daß die Athener diese Juwelen der Kunst nur bey mir zu sehen bekommen können. Ich übermache dir eine in Cyrene zahlbare Anweisung auf drey tausend Drachmen; wär' ich ein König, so sollten's dreyßig tausend seyn, und ich würde diese Bilder doch noch lange nicht nach ihrem wahren Werth bezahlt zu haben glauben. Unsre reichsten Kunstsammler erkundigen sich, nicht ohne Neid, nach dem Meister und dem Preise: ich sage ihnen, daß der Meister nicht genannt seyn wolle, und nicht auf den Kauf arbeite. Eufranor, der die Kunst zu sehr liebt, um einer andern Eifersucht als der edeln, schon von dem alten Hesiodus angerühmten, fähig zu seyn, findet, daß an beiden Stücken vieles höchlich zu loben, und wenig oder nichts zu tadeln sey; denn über das, was allenfalls getadelt werden könnte, lasse sich, sagt' er, noch lange streiten. So tadelte z. B. Jemand, daß von dem Entzücken über den unverhofften Anblick des Liebesgottes und der Angst vor seinem Erwachen, wovon das Mährchen spricht, nur das erste in Psychens Gesicht ausgedrückt sey; aber Eufranor behauptet, es wäre unmöglich gewesen beides in eben demselben Augenblick ohne Verzerrung auszudrücken, und der Mahler sey der Natur und dem Gesetz der Kunst gefolgt, indem er jenen Ausdruck vorgezogen habe; zumahl da das Zittern der Hand, wovon der fallende Öhltropfen die Folge war, eben so gut von einer frohen Überraschung als einer Anwandelung von Furcht habe bewirkt werden können. Mehr zu verlangen, sagte er, wäre eben so viel als wenn man fordern wollte, der Mahler hätte ihre Hand zittern lassen sollen. Vorzüglich bewundert Eufranor an dem zweyten Stücke den Gedanken, das Ganze bloß von dem Aufflackern der Lampe, die der Psyche (indem sie die Arme nach dem fliehenden Amor ausstreckt) aus der Hand fiel, und eben verlöschen wird, von unten auf beleuchtet werden zu lassen, welches eine eben so neue und auffallende Wirkung thut, als es schwer auszuführen war. Er hat nicht von mir abgelassen, bis ich ihm erlaubt habe, von beiden Gemählden eine Kopey in eingebrannten Wachsfarben zu machen; einer noch nicht lang' erfundenen Kunst, worin er es bereits zu einer großen Nettigkeit der Ausführung gebracht hat.

Lais (die mir vor ihrer Abreise die Oberaufsicht über ihre häuslichen Angelegenheiten auftrug) meldet mir von Larissa aus, wo sie den Winter sehr angenehm zugebracht zu haben versichert, daß sie im Begriff sey, nach Farsalia abzugehen, und sich in diesem dichterischen Lande, der Scene so vieler alter Wundersagen und heroischen Abenteuer, dem Lande wo Deukalion und Pyrrha das Menschengeschlecht wieder herstellten, und Apollo die Herden des Admet hütete, so wohl gefalle, daß sie noch nicht ans Wiederkehren denken könne. Sie scheint sehr wohl mit den edeln Thessaliern, aber desto schlechter mit dem weiblichen Theile der Nazion zufrieden zu seyn; sie findet die Weiber dieses Landes weder schön noch geistreich und gebildet genug, um ihre ausschließlichen Ansprüche an die Zauberkunst der Liebe behaupten zu können. Das Wahre ist, daß eine so gefährliche Fremde wie Lais, die in keiner andern Absicht gekommen scheint, als ihnen die reichsten und freygebigsten Männer des Landes vor ihren Augen wegzuangeln, eine allgemeine Empörung der Weiber gegen sich erregt, deren Folgen zu entgehen sie diesen Sommer unter dem Schutze des mächtigen Dioxippus auf einem seiner Güter in der Gegend von Farsalia zuzubringen gedenkt. Ich zweifle nicht daß dieß das rechte Mittel ist, sie vor Anfang des Winters wieder in Korinth zu haben. Ich wünsch' es, bloß weil ich sehen möchte was sie mit meinem verrückten Sokrates anfangen wird, und ob sie sich des Versuchs wird enthalten können, auch ihn vor oder hinter ihren Siegeswagen spannen zu wollen. Dein Antipater wird sich in seiner Meinung von den Korinthern betrogen finden. Diogenes lebt hier noch freyer und ungeneckter als zu Athen, und es gefällt ihm so wohl bey uns, daß er von der allgemeinen Einladung, die er von einigen unsrer besten Häuser erhalten hat, schon zwey oder drey Mahl Gebrauch gemacht, und wenn ihm die Laune dazu ankam, von freyen Stücken bey großen Gastmählern erschienen ist; wo er zwar von seiner gewöhnlichen Diät so wenig als möglich abweicht, aber durch die Gewandtheit seines Witzes, die Freyheit seiner Zunge, und die seltsamen Einfälle, wovon er einen unerschöpflichen Vorrath zu haben scheint, sich so angenehm macht, daß seine Erscheinung eine desto lebhaftere Freude unter den Gästen verursacht, je karger er mit dieser Gefälligkeit ist. Denn so weit hab' ich selbst (wiewohl er mich mehr als andere begünstigt) es nicht bey ihm bringen können, daß ich meine Freunde auf ihn zu Gaste bitten dürfte. Antipater wird hieraus ersehen, daß er sich so bald keine Hoffnung zu einer Schwimmpartie nach Psyttalia mit unserm neuen Schutzverwandten zu machen hat, und daß er selbst zu uns wird herüber schwimmen müssen, wenn er sehen will, wie gut die Isthmische Luft seinem Freunde zuschlägt.


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