Christoph Martin Wieland
Aristipp
Christoph Martin Wieland

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XXIX.
Lais an Aristipp.

Kleonidas hat dir das Neueste aus Milet bereits zu wissen gethan. Eine freundliche Persische Perise (damit du doch siehest, daß ich durch meinen neuen Anbeter schon ein wenig gelehrter geworden bin) hat mir einen Liebhaber bis vom Eufrates her zugeschickt; und welch einen Liebhaber! schön wie ein Medier, liebenswürdig wie ein Grieche, und beynahe so reich wie Midas und Krösus! Denn was wir armen Griechen tausend Drachmen nennen, ist ihm eine Hand voll Obolen; und wie ich nöthig fand, seiner übermäßigen Freygebigkeit mit aller Strenge einer Gebieterin Einhalt zu thun, verwunderte sich der hoffärtige Mensch, daß ich solche Kleinigkeiten meiner Aufmerksamkeit würdigen möge. Wirklich scheint er eines so großen Maßstabs gewohnt zu seyn, daß er Geschenke, die einer Königin dargebracht werden dürften, für Kleinigkeiten ansieht, und sich daher ihrentwegen weder zu der mindesten Freyheit, noch zu Erwartung einer größern Gefälligkeit von meiner Seite, berechtigt glaubt. Das sticht nun freylich von der ökonomischen Manier der Söhne Deukalions, mit ihren Geliebten bey Drachmen und Obolen abzurechnen, gewaltig ab, und thut dem edeln Achämeniden, wie du leicht errathen kannst, keinen Schaden bey mir – Kurz, lieber Aristipp, dieser Arasambes ist ein sehr gutherziger und umgänglicher Barbar, und es ahnet mir zuweilen, ich werde noch in starke Versuchungen kommen, zu vergessen, daß ich eine Griechin bin, und die Entführung der schönen Helena an allen Asiaten zu rächen habe. Die einzige morgenländische Unart, die ihm ankleben mag, scheint ein ziemlicher Ansatz zur Eifersucht zu seyn, und dieß wäre auch das einzige, das mich zurück schrecken könnte. Wenn er nicht so viel Zutrauen zu mir fassen kann, sich auf mein Wort ohne Riegel und Hüter sicher zu glauben, so brech' ich ab, lass' ihm alle seine Geschenke wieder zustellen, und fahre mit dem ersten guten Winde nach Korinth zurück.

Mein Plan mit Musarion und Kleonidas ist zu seiner Reife gediehen; sie ist seiner werth: und wiewohl er bisher (wenn wahre Liebe sich verhehlen ließe) ihr selbst und der ganzen Welt ein Geheimniß aus dem wahren Nahmen seiner zärtlichen Freundschaft zu ihr gemacht hat, so bin ich doch völlig gewiß, daß ich durch das Band, das ich zwischen ihnen zu knüpfen im Begriff bin, den feurigsten seiner Wünsche befriedige.

Du, mein weiser Freund, liegst noch immer zu Samos den meteorischen Dingen mit so großem Eifer ob, daß ich Bedenken tragen sollte, dich mit den Puppenspielen, die uns Kindern der Erde so wichtig scheinen, in deinen erhabenen Anschauungen zu stören. Wie hoch du dich aber auch immer, selbst über die Jupitersburg und das luftige Wolkenkuckuksheim deines Freundes Aristofanes erheben magst, so denke ich doch, meine Ansprüche an deine Freundschaft so leicht nicht aufzugeben, und schmeichle mir hinwieder, daß alle Pythagorische Zahlen, Zirkel und Dreyecke nicht vermögend seyn sollen, deine Anadyomene immer aus deiner Erinnerung zu verdrängen.


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