Christoph Martin Wieland
Aristipp
Christoph Martin Wieland

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XXXVI.
Lais an Aristipp.

Welcher ungnädigen Nymfe bist du zur Unzeit in den Weg gekommen, Aristipp? Wüßte ich nicht, wie wenig das war, das dich in so wunderbare Seelenzuckungen zu setzen scheint, und daß ein Löffel voll Wein, sey es auch vom besten Cyprier, niemanden berauschen kann, du hättest mich beynahe glauben gemacht, es sey dein Ernst. Aber vermuthlich wolltest du nur einen kleinen Versuch machen, wie weit du es in der Manier des jungen Kleombrotus bringen könntest. Ich würde dich beklagen, wenn du wirklich so wenig ertragen könntest als du vorgiebst. Gut indessen, daß du mich gewarnt hast. Ich werde mirs gesagt seyn lassen, und mich wohl hüten, dich glücklicher zu machen als dir zuträglich ist. Wenn ein Tröpfchen Nektar in einem Becher voll Wasser dir schon so stark zu Kopfe steigt, was für ein Unheil würde eine ganze Trinkschale unvermischten Göttertranks in deinem Gehirn anrichten?

Ernstlich zu reden, lieber Aristipp, muß ich fast vermuthen, daß du mich über die kleinen Untreuen, wozu dich die schöne Timandra, vielleicht ohne Absicht und Wissen, verleitet, sicher machen willst. Wenn das deine Meinung wäre, mein Freund, so hättest du das unrechte Mittel ergriffen. Bleibe, wenn ich dir rathen darf, in deinem gewöhnlichen Ton, und verlaß dich wegen des übrigen auf mich. Ich weiß wie viel man euch zu gut halten muß, und bey mir bist du vor den zwey häßlichsten Weiblichkeiten, der Eifersucht und der Rachlust, sicher. Ich werde immer ehrlich und aufrichtig mit dir verfahren, aber ich erwarte auch das Nehmliche von dir.

Syrakus, sagt man, hat die schönsten Weiber in ganz Griechenland. Findest du es wirklich so? Sage mir gelegenheitlich ein Wort hierüber, und melde mir zugleich, wie meine neue Freundin mit ihrem sofistischen Liebhaber, oder wie man es nennen muß, haushält? Etwas Kunst wird sie nöthig haben, wenn sie so viel Gewalt über ihn behalten will, als schlechterdings nöthig ist, wenn ein Mann sich glücklich durch uns fühlen soll. Doch sie ist in einer guten Schule gewesen, und die ehmahlige Geliebte des Alcibiades kann des Raths einer Anfängerin nicht bedürfen. Wenn ich sie recht gesehen habe, so ist viel feiner Sinn, um nicht Schlauheit zu sagen, unter der naiven Einfalt versteckt, die ihr eine so eigene Anmuth giebt, und desto sichrer wirkt, weil sie mit Geist und Güte des Herzens verbunden ist. Sie ist wirklich ein liebenswürdiges Weib, und ich erlaube dir, ihr so gut zu seyn als dein Freund Hippias es gerne sehen mag.


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