Christoph Martin Wieland
Aristipp
Christoph Martin Wieland

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XXXVII.
Lais an Aristipp.

Im Vertrauen zu dir gesagt, Aristipp – mir steigt zuweilen ein kleiner Zweifel auf, ob ich nicht eine sehr unartige verkehrte Person und eine Thörin oben drein sey, daß ich es ordentlich drauf anlege, und mir alle mögliche Mühe gebe, einen Liebhaber los zu werden, welchen mit Vulkanischen Fesseln zu umwinden und fest zu halten, jede andere an meiner Stelle zum einzigen Ziel aller ihrer Gedanken und Bestrebungen machen würde. Du siehest hieraus, daß ich noch nicht ganz mit mir selbst einverstanden bin; vielmehr muß ich besorgen, daß Arasambes noch einen geheimen Anhang in meinem Herzen hat, der vielleicht nur desto gefährlicher ist, weil er sein Wesen im Verborgenen treibt. Woran hange ich denn hier noch? Des hofmäßigen Prunks und Pomps, der Sardanapalischen Tafeln, des lästigen Gewimmels von Eunuchen und Sklavinnen, bin ich überdrüssig, und die ewigen Feste in morgenländischem Geschmack machen mir lange Weile. Es ist wahr, eine Zeitlang fand ich Vergnügen daran, mich selbst mit Erfindung und Anordnung einer Menge mannigfaltiger, hier nie gesehener Ergetzungen für Aug' und Ohr zu beschäftigen. Die geschicktesten Baumeister, Bildhauer und Mahler Ioniens, die berühmtesten Tonkünstler, Schauspieler, Tänzer und Tänzerinnen wurden angestellt, die Kinder meiner üppigen Fantasie zur Welt zu bringen. Aber auch diese Quelle ist vertrocknet. Kurz, ich habe nur noch ein einziges Gefühl, das lebhaft genug ist mich zu überzeugen, daß ich nicht schon unter den Schatten im Hades herum gleite, und das ist – die Ungeduld, die mich zuweilen anwandelt, mich auf meinen Thrazischen Goldfuchs, einen unmittelbaren Sohn des Äolus, zu schwingen und ohne Abschied davon zu rennen. Stände mir, wie der glücklichen Medea, auf den ersten Wink ein Drachenwagen zu Dienste, so wäre ich in diesem Augenblick – bey dir zu Rhodus, wofern ich anders nicht besorgen müßte, dich ein wenig übermüthiger zu machen, als einem Sokratischen Filosofen geziemen will. Da dieß nicht angeht, so habe ich mich endlich doch, gern oder ungern, zu dem Mittel herablassen müssen, das du mir vorgeschlagen hast – weil du nicht zu fühlen scheinst wie unwürdig es meiner ist. Dafür muß ich dir aber auch zum Troste sagen, es schlägt trefflich an; und könnt' ich es nur über mein Herz bringen damit fortzufahren, so glaube ich beynahe selbst, es würde Alles wirken, was du dir davon versprichst. Aber ich gestehe dir meine Schwachheit, wenn es Ihm (was ich jetzt selten begegnen lasse) endlich einmahl gelungen ist, mich auf meinem Sofa allein zu finden, und ich ihm, in Antwort auf die zärtlichsten Dinge, die er mir mit allem Feuer der ersten unbefriedigten Leidenschaft sagt, deiner Vorschrift zu Folge, mit der matronenhaftesten Kälte so holdselig als möglich ins Gesicht gegähnt habe, und der arme Mensch, vor Erstaunen über die Schönheit meiner zwey und dreyßig Perlenzähne, mitten in einer zärtlichen Frase stecken bleibt und den trostlosesten Blick auf meine ruhigen spiegelhellen Augen heftet, – da kommt mich ein solches Mitleiden mit ihm an, daß es mir unmöglich ist meine Hausfrauenrolle fortzuspielen; und ich schäme mich dir zu sagen, schon mehr als einmahl hat sich eine solche Scene so geendigt, daß ich vorhersehe, dein Mittel würde mich, wenn ich es fortbrauchen wollte, mehr zurück als vorwärts bringen.

Glücklicher Weise hat sich eine Göttin meiner angenommen, deren besondere Gunst ich in meinem Leben schon oft genug erfahren habe, um es meine erste Sorge seyn zu lassen, wenn ich nach Ägina zurück komme, ihr einen kleinen Tempel vom schönsten Lakonischen Marmor zu erbauen. Dieser Tage läßt sich ein Cilicischer Sklavenhändler bey mir melden, und bietet mir eine junge Sklavin aus Kolchis an, die (wie er sich sehr höflich ausdrückte) wofern Lais unter die Sterblichen gerechnet werde, an Schönheit die zweyte in der Welt sey. In der That überraschte mich ihre Gestalt, als sie aus dem dreifachen Schleier, der sie allen profanen Augen unsichtbar gemacht hatte, wie der Vollmond aus einem Gewölke hervor trat, und in dem zierlichen Anzuge einer jungen Korbträgerin der Athene oder Demeter, vor mir stand. Schwerlich hast du jemahls so große, so schwarze und so blitzende Augen gesehen, von schönerm Ausschnitt, und die das Hygron, das die Dichter und Mahler der Afrodite geben, in einem so hohen Grade gehabt hätten, noch Lippen, die so unwiderstehlich zum Kuß herausfordern, wie Anakreon sagt! Ich nahm sie sogleich ins Bad mit mir, und ich könnte dir über das Erstaunen, womit wir einander beide ansahen, sonderbare Dinge erzählen, wenn sie nicht unter die unaussprechlichen gehörten. Laß dir genug seyn, Aristipp, daß ich gewiß bin, durch den glücklichsten Zufall gefunden zu haben, was ich lange vergebens hätte suchen können, und daß Arasambes diesem Iynx nicht widerstehen wird. Kurz und gut, ich habe mir mit tausend blanken Dariken eine Nebenbuhlerin erkauft, die mir in kurzem die Wonne verschaffen soll, mein geliebtes Griechenland wieder zu sehen, und die herzerquickende Luft der Freyheit wieder zu athmen, außer welcher ich nicht gedeihen kann. Das Mädchen scheint nicht über sechzehn Jahre alt, ist eine Griechin von Geburt und absichtlich für das Gynäceum irgend eines Persischen Satrapen erzogen; denn sie singt und spielt verschiedene Instrumente sehr gut, tanzt wie eine Nymfe, und weiß ihre großen funkelnden Augen meisterlich zu regieren. Das ist aber auch Alles. Indessen fehlt es ihr nicht an Anlage; sie besitzt ein treffliches – Gedächtniß, und wenn sie noch etliche Dutzend Lieder von Anakreon und Sappho und Korinna auswendig gelernt und einige Wochen mit meinen Grazien gelebt hat, soll sie es mit allen Timandren und Theodoten zu Athen aufnehmen können.


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