Christoph Martin Wieland
Aristipp
Christoph Martin Wieland

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XVII.
Aristipp an Learchus.

Antipater kann dirs noch nicht vergessen, daß du ihm seinen Freund Diogenes entführt hast. Er besorgt, die Korinther möchten noch leichtfertiger seyn als die Athener, und das Schätzbare dieses genialischen Sonderlings vor dem Lächerlichen nicht gewahr werden. Ich hätte sagen sollen er wünscht es heimlich, weil er hofft, ihn desto eher nach Athen zurückkehren zu sehen. Ich glaube das Gegentheil. Die Einwohner großer Handelsplätze wie Korinth, sind so sehr gewohnt, Menschen von allen möglichen Gesichtern, Gestalten und Farben, Trachten, Sitten, Sprachen und Mundarten um sich zu sehen, daß auch der übertriebenste Sonderling ihnen weniger auffallen muß als den Athenern, die alles, was nicht Attisch ist, schon aus diesem Grund allein lächerlich und verächtlich finden.

Du bezeugtest, als du vor einiger Zeit die Gemählde meiner kleinen Halle besahst, großes Verlangen ein paar Stücke von meinem Freunde Kleonidas (dem Mahler des sterbenden Sokrates) um jeden Preis, den er darauf setzen wollte, zu besitzen. Ich übersende dir hier zwey, die ich so eben von ihm erhalten habe, und lege ihnen, zu besserm Verständniß ihres Sinnes, die Abschrift eines Milesischen Mährchens bey, welches die schöne Lais verwichnen Frühling einer kleinen bey ihr versammelten Gesellschaft, aus Gelegenheit eines Gesprächs über die Liebe, zu erzählen die Gefälligkeit hatte. Wenn du es gelesen hast, wirst du, in dem einen dieser Bilder, die von der Furie des Vorwitzes von der Seite ihres noch unbekannten Gemahls weggerissene Psyche, – in dem Augenblick, da sie über ihn hergebückt den Gott der Liebe in ihm entdeckt, und vor Entzücken und Schrecken zitternd einen Öhltropfen aus der Lampe in ihrer Hand auf seinen Busen fallen läßt, – so wahr und schön dargestellt finden, daß ihm nur das Seitenstück dazu – wo Amor, einen zugleich mitleidigen und zürnenden Blick auf die bestürzte und die Arme vergebens nach ihm ausstreckende Psyche werfend, davon fliegt – an Schönheit und Stärke der Wirkung zu vergleichen ist. Wenn diese Bilder dir nur halb so wohl gefallen wie mir, (sonst hat sie noch niemand hier gesehen) so sind sie um jeden mäßigen Preis, den du selbst bestimmen willst, dein. Übrigens gesteh ich dir unverhohlen, daß ich mich so leicht nicht von ihnen trennen könnte, wenn ich nicht noch zwey andere Stücke erhalten hätte, die als Kunstwerke jenen nicht nachstehen, aber noch außer dem einen Werth für mich haben, den sie für keinen andern haben können. Das eine stellt meinen Kleonidas in einem schönen Augenblicke seines häuslichen Glückes vor; das andere ist das Bildniß seiner Schwester, eines lieblichen talentvollen Mädchens von siebzehn Jahren. Sie sitzt unter einer Rosenlaube, mit einer Tafel auf den Knieen, worauf sie das Bild einer Person, an welcher sie warmen Antheil nimmt (vermuthlich ihres Bruders) zu zeichnen begriffen ist; wiewohl es eben so wohl eine geliebte Freundin seyn könnte; denn was es vorstellen soll, ist nur angedeutet als ob es in einem Nebel zerfließe. Ich habe nie etwas so sanft anziehendes gesehen als dieses Mädchen; es ist eben so schwer die Augen wieder von ihr abzuwenden, als nicht zu wünschen, daß man derjenige seyn möchte, dessen Züge sie nach einem ihrer Seele vorschwebenden Bilde mit Liebe zu kopieren scheint.

Wenn du Nachrichten von unsrer wandernden Freundin hast, so wirst du mich durch ihre Mittheilung verbinden. Ich müßte mich sehr irren, wenn sie es bey ihrem Thessalischen Zauberer so lange ausdauerte, als bey dem fürstlichen Perser, der so große Vorzüge in sich vereinigte, und sie doch nicht länger als zwey Jahre fest halten konnte. Ihr andern edeln Söhne von Korinth werdet ja auch noch an den Reihen kommen; wenigstens hat sie euch lange genug umsonst dienen lassen, oder doch nur mit Fasianischen Hühnern und Kopaischen Aalen abgespeist, woran ihr ohnehin keinen Mangel habt.


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