Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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120.

Magnoliaplantage, den 2. Februar 1868.

Der »Fair« ging in Regen und Sturm zu Ende; meine Versuche, den Ausstellungsplatz nachträglich umzupflügen, zerflossen in Wasser, und die Ankunft von Lawrences Maschine gab meinen Arbeiten, Gott sei Dank, eine praktischere Richtung. Magnoliaplantage ist auf keiner Eurer Karten zu finden. Von Neuorleans bis an die Mündungen des Mississippi, soweit das Land kultivierbar ist, beträgt die Entfernung etwa 150 Kilometer. Der Fluß mit seiner gelben Wassermasse, in der, wie vorsintflutliche Ungeheuer, langsam die ausgerissenen Baumstumpen von Kansas und Missouri dem Meere zutreiben, bildet sozusagen den Rückgrat des werdenden Deltas. Auf seinen beiden Ufern reiht sich Plantage an Plantage, die Vorderseite dem Strom zugekehrt und nach hinten abfallend. Die Breite der Güter senkrecht zur Flußrichtung ist zwei bis drei Kilometer und ihre hintere Grenze ein fortgesetzter Gürtel des nie gelichteten Urwaldes, der sich, fußtief im Wasser stehend, in undurchdringliche Sümpfe und brackische Lagunen verliert. Magnolien und Hickorybäume, Sykomoren und Eichen der struppigsten Art mit jetzt dürren Girlanden von Schlingpflanzen und dem Luisiana eigentümlichen Baummoose behangen, geben selbst im Winter diesen Sumpfwäldern einen ungewöhnlichen Charakter und bilden die sogenannten Swamps, in denen Alligatoren und Schlangen jeder Art noch so heimisch sind wie vor Jahrhunderten.

Entlang der Flußseite zieht sich, parallel mit dem Ufer, die etliche acht Fuß hohe »Levee«, ein mit Pfahlwerk verstärkter Erddamm, hinter dem sich eine breite, meist wohlgepflegte Straße befindet. An derselben steht in einem Garten, von Orangenbäumen, Bananen, Aloes und Kaktussen umgeben, das Herrenhaus – ein einfacher, wohlgepflegter Holzbau, auf Steinpfeilern ruhend und mit breiter Veranda nach vorn und hinten versehen. Ein oder zwei ähnliche Häuser für die Mechaniker, Aufseher und für gelegentliche größere Besuche sind halb im Gebüsch versteckt, hinter dem das hohe Dach und die rauchenden Kamine der Zuckerfabrik hervorragen. Die Felder sind in Vierecken ausgelegt, deren Grenze von weiten Feldwegen und einem System von Kanälen gebildet wird, die das Regenwasser natürlich nicht dem höher gelegenen Fluß, sondern dem urwäldlichen Swamp zuführen. Etwas abseits vom Zuckerhaus befindet sich eine Gruppe kleiner, weißer Häuschen, die in früheren Zeiten von den Sklaven des Guts bewohnt wurden und jetzt den schwarzen Arbeitern vermietet werden.

Dies ist der Charakter dieser Plantagen, die sich ohne Unterbrechung von Neuorleans bis Fort Jackson, dem Endpunkt des bewohnbaren Landes nach der See hin, aneinanderreihen. Trotz der scheinbaren Einförmigkeit der Umgebung, die durch kein Dorf, durch keinen Hügel, selbst durch keinen Wechsel der Feldfrüchte unterbrochen wird, ist das Pflanzerleben, wenn man mit einer geregelten Tätigkeit gesegnet ist, keineswegs ein trauriges. Ich fühle mich nach den widerwärtigen Sorgen, nach dem Gehetze und Humbug der Ausstellung recht behaglich in dem abgeschlossenen Kreise bestimmter Pflichten.

E. Lawrence, der Besitzer von Magnolia, ist einer der wenigen Leute, denen die letzten Jahre den Mut nicht genommen haben. Er ist entschlossen, den Kampf mit den Mitteln, die ihm geblieben sind, aufzunehmen, wenn auch die Schwierigkeiten unter einer Regierung, welche die Vernichtung dieser Gesellschaftsklasse als die Rettung ihrer politischen Machtstellung ansieht, fast erdrückend sind.

In Neuorleans, wo seine Familie lebt, besitzt Mr. Lawrence ein Haus, das in seiner Ausstattung noch lebhaft an die fürstlichen Zeiten der alten Sklavenaristokratie erinnert. Hier auf Magnolia dagegen ist alles einfach, aber höchst behaglich eingerichtet.

Seit meine Maschinen angekommen sind und ihre Kamine über die Felder hin sichtbar werden, fangen auch Lawrences Nachbarn an, ihrem Kopfschütteln eine andre Richtung zu geben, und wenn der Erfolg mit den für Luisiana allerdings noch nicht ganz passenden Geräten, die mir augenblicklich zu Gebot stehen, erträglich ausfällt, so wird meine Prophezeiung doch noch zur Wahrheit: daß Luisiana das beste Land für den Dampfpflug werden muß, das ich kenne. Soeben komme ich von einem Besuch bei unserm Nachbar, dem größten Zuckerpflanzer Luisianas, einem Mr. B. Johnson, zurück. Der Mann ist ein scharfer, schlauer, vorsichtiger Kopf, der sich vor etlichen Monaten eher gegen als für die Dampfpflügerei aussprach. Jetzt ist er auf dem besten Wege der Bekehrung und wird vermutlich der nächste Dampfpflüger des Staates werden. Der Barometer steigt in allen Richtungen.

Politisiert wird natürlich in diesen Kreisen immer und gewaltig. Es sind die Männer, die vor dem Krieg als die Häupter der demokratischen Partei das Staatsschiff der Union leiteten, wenn nicht die Steuerleute selbst, so doch die Matrosen, und das freie, kecke, selbständige Urteil, der gesunde, praktische Blick dieser großen Bauern und Zuckersieder hat etwas ungemein Erfrischendes, auch wenn man mit ihren Ansichten nicht übereinstimmt.


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