Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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116.

Neuyork, den 28. Oktober 1867.

de Mesnil ist nach Belgien abgereist. Seine Absicht ist, Schleppdampfer nach meinen letzten Zeichnungen in England zu bestellen und im März auf der Maas zu versuchen. Die dortige Gesellschaft hat nunmehr die Konzession, ein Drahtseil zwischen Lüttich und Namur zu legen, wirklich erhalten.

Etwas näher lerne ich das amerikanische Leben auch von andrer Seite kennen, ohne ihm mehr Geschmack abzugewinnen. Die Theatersaison Neuyorks, welche für das Glänzendste gilt, was hierzulande in dieser Hinsicht zu haben ist, erscheint mir wie eine Nachäfferei der geschmackloseren Seite der europäischen Bühnen. Aller Prunk, aller Aufwand ist nicht imstand, den Eindruck, als ob man das Ding aus zweiter Hand bekäme, zu verwischen. Das amerikanische Leben ist sicherlich voll origineller Züge, aber auch nicht eine Spur von Originalität, mit Ausnahme vielleicht der niederen Komik der Niggerminstrels, verliert sich in das Gebiet der Kunst. Dieser Geschmack für Musik! Und diese Malerei! Und dabei die ewige kindische Selbstbewunderung, mit der die Zeitungen und das ganze, mit Blindheit gesegnete Publikum die kleinste Regung und die verrücktesten Verirrungen eines geistigen Lebens in dem jungen Riesenleib begrüßen, dessen hervorragendste Eigenschaften harte Knochen und eine lederne Haut zu sein scheinen!

Ich prüfe mich manchmal, ob meine wachsende Abneigung gegen Amerika und die graubraune Farbe des ganzen Weltteils davon herrühre, daß die widerspenstigen Yankees nicht Dampfpflüge kaufen wie meine guten Ägypter. Ich fühle mich aber unschuldig. Es ist ja möglich, daß der wohlgemischte Auswurf Europas noch das große Volk wird, das es zu sein vermeint. Erstaunlich ist zweifellos, was es erreicht hat. Vorderhand aber liegt seine Größe noch in der räumlichen Ausdehnung und einer unberechenbaren Zukunft.

Dein Seufzer über den Ozean herüber: »Ach, ich hab' eine Tinte wie kein Mensch in der Welt!« findet sein Echo auf dieser Seite des Atlantischen Meeres. Oh, auch ich habe Hemdknöpfchen wie keine Seele auf Erden. Und die Socken, die man hier kauft, platzen beim ersten Hineinschlüpfen, und die berühmtesten Waschmaschinen verwandeln mit Dampfesgeschwindigkeit ein unreines Hemd in einen reinen Lumpen. Wagt man sich mit neugekauften Stiefeln in die Straße, so ist man sicher, seine Absätze auf dem Trottoir zusammensuchen zu müssen. Und das ist alles patentiert!


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