Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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69.

Schubra, den 3. Februar 1865.

Sich mit Maschinen und allen vierundsechzig Elementen herumzuschlagen, will nichts sagen. Aber an der Menschen Faulheit und Verkehrtheit bricht sich des Menschen Kraft. Nichts macht den »edeln Araber« so wütend, als wenn man ihn aus seiner natürlichen Trägheit aufzurütteln sucht. Du magst ihm seine Spitzbübereien nachweisen, er lächelt und sagt: »malisch!« (»Es macht nichts!«) Du magst ihn unschuldig prügeln: er nimmt's mit Ergebung in den Willen Allahs hin und küßt dir die Hand. Aber wenn du so unvernünftig bist, zu verlangen, daß er seine Pflicht tun soll, ohne geprügelt zu werden, dann wird er bösartig. Unter solchen Prüfungen mit der längst verlorenen Geduld weiterarbeiten, ist oft fast mehr als ein Christ zu leisten imstande ist, und es ist nur natürlich, daß auch die meisten Europäer nach etlichen Jahren vergeblichen Kämpfens sich entschließen, mit dem Strome zu schwimmen.

Nur statt Hunderten ein Beispiel! Mein Baumwollenpflug, nach welchem sich Halim-Pascha so sehr sehnt als ich, liegt seit drei Monaten in Alexandrien. Zweimal war ich selbst dort, um ihn vom Schiff aufs Zollamt und vom Zollamt auf die Eisenbahn befördert zu sehen. End- und zahllos sind die Briefe, Boten, Telegramme, die in letzter Zeit nach Alexandrien gingen, um die Überführung zu fördern, und bis auf den heutigen Tag ist es nicht gelungen, mehr als drei Räder des Apparats nach Schubra zu bekommen, über zweihundert Kisten mit Maschinen liegen in dieser Weise derzeit für uns in Alexandrien, teils im Straßenkot, teils unter Baumwollensäcken begraben. Aus diesem Chaos eine Welt zu bauen, ist keine kleine Aufgabe.

Dazu die hundert sich streitenden Interessen von Fabrikanten, Agenten, Kaufleuten und Bankiers, welche dem gequälten Ingenieur heute Anerbietungen machen, die dem Bestechen so ähnlich sehen wie ein Ei dem andern, während sie morgen bereit sind, ihn um den ehrlich erworbenen Schweiß seines Angesichts zu betrügen. In einem fauligen Wassertropfen kann's nicht toller zugehn! Wenn ich dann in Freundesbriefen von meinem Glück und meiner beneideten Stellung lese! Und doch, wünschte ich mir was andres? Wenn ich heute davonliefe, würde ich nicht morgen schon mit allen Kräften danach streben, mich auf einem ähnlichen Schlachtfeld herumschlagen zu können?


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