Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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54.

Schubra, den 18. November 1863.

Vor meinem Abscheiden aus dieser Welt, das heißt, ehe ich nach Kassr-Schech gehe, das zwanzig Meilen jenseits aller menschlichen Kultur liegt, eine erfreuliche und einige trübselige Nachrichten!

Auf der Leiter menschlichen Ehrgeizes bin ich um eine Sprosse weiter geklettert und teile den Platz mit etlichen tausend Narren, etlichen hundert Unglücklichen und etlichen wenigen großen Männern des Jahrhunderts. Mein erstes englisches Patent ist gesichert. Es betrifft die früher schon berührte Pumpe. Denket Euch einen vierundzwanzig Fuß langen und mehr als schuhdicken eisernen Elefantenrüssel und einen dampfgetriebenen Elefanten, der von Brunnen zu Brunnen läuft, seinen Rüssel in dieselben hineinstößt und jeden in einer Stunde aussäuft, so habt Ihr den Grundgedanken der Erfindung, die jedoch nur für ägyptische Verhältnisse von Bedeutung werden kann.

Im übrigen ist die ganze Welt krank, die Folge des übergroßen Nils, der jetzt zurücktritt und Sümpfe und Pfützen hinterläßt, in deren Ausdünstung wir schmoren. Auch mich hat's etwas gepackt. Ein fremdes Klima verlangt nun einmal seinen Zoll. Indessen lag ich nicht zu Bett, sondern fühlte mich nur gründlich verstimmt in Leib und Seele, quälte meine Leute mehr als gewöhnlich und fühlte mich von denselben außergewöhnlich gequält.

Das ganze Land scheint mir nicht besser dran zu sein. Zivilisation und Barbarei, fieberhafte Unternehmungen und unüberwindliche Faulheit, der alte Fanatismus, der, weil er nicht mehr morden kann, betrügt und stiehlt, und der modern-christliche Unglaube, der in größerem Stil raubt und plündert, wo etwas zu holen ist, all diese widersprechenden Elemente liegen sich brüderlich in den Haaren. Amerikanische Industrieritter und englische Stallknechte, griechische Spitzbuben und französische Komödianten, deutsche Trunkenbolde und italienische Apotheker und Giftmischer auf der breiten Grundlage von Arabern und Kopten, bei denen jedes Wort eine Lüge ist und jede Handlung ein Diebstahl, ein Versuch, zu bestechen oder bestochen zu werden – das sind die Elemente dieser Gesellschaft.

Recht hübsch und bunt für einen Vergnügungsreisenden. Aber leben und arbeiten mit diesem Volke ist so leicht nicht. Nach Jahrzehnten, wenn die Flut der eindringenden Zivilisation sich zu legen beginnt, wenn Arbeit und Verdienst ihr Gleichgewicht gefunden haben, wird sich das alles vielleicht besser gestalten. Aber bis dorthin, so Gott will, bin ich längst über Berg und Tal.

Spürt Ihr die Sumpfluft, die durch diese Blätter zieht?


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