Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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65.

Schubra, den 18. Oktober 1864.

Ein ander Bild: eine Art Seegefecht, eine Wasserschlacht, die vier Tage dauerte und mit einem heiß erkämpften Sieg endete.

Eine hundertpferdige Pumpe, welche die Felder von Schubra bewässert, die erste und älteste im Lande, brach vor acht Tagen plötzlich zusammen. Ihr Saugventil, gegenwärtig sechzehn Fuß unter dem Wasserspiegel des Nils, ist im Fall von Reparaturen durch ein eisernes Tor zugänglich, das natürlich, wenn die Pumpe arbeitet, mittels Schrauben hermetisch verschlossen bleibt. Dieses Tor wurde durch den Wasserdruck aufgesprengt; das Wasser füllte alsbald den Schacht, in dem das Pumpwerk steht, und machte den Schaden zunächst unzugänglich.

Die ganze Baumwollernte des Gutes hing nun davon ab, in kürzester Zeit die Maschine wieder in Betrieb zu setzen. Es wäre nutzlos, Euch mit Einzelheiten zu quälen; genug, daß ich seit drei Tagen mehr Fisch als Mensch, mehr unter als über dem Boden war, und daß es mir nicht unangenehm ist, aus dem Gewirre von Röhren, Klappen, Hahnen, Stangen und Säulen, alle blitzend in Schleim und Wasser, aus dem Schlagen, Triefen und Plätschern provisorischer Pumpen, die aus jeder unmöglichen Ritze in allen möglichen Richtungen boshafte Wasserstrahlen zu senden wußten, aus der etwas zu nahen Gemeinschaft mit meinen braunen, pustenden, nacktbeinigen Gesellen, welche mir im flimmernden Halbdunkel bald auf den Kopf stiegen, bald zwischen den Beinen heraufkamen – aus all dem heraus und wieder in trockenen Kleidern zu sein.

Ihr klagt für mich über dieses Leben, das freilich anders gestaltet ist als eine Musterlaufbahn in der Heimat, bei welcher die Hauptaufgabe darin besteht, das wohlausgefahrene Geleise nicht zu verlassen. Sollte ich diesem Leben ausweichen, weil nicht alles gebahnt und gebohnt ist, wie wir es zu Hause gewöhnt sind?

Nein! Ein Soldat, der Ehr' im Leibe hat, sucht sich keinen »bessern Platz«, wenn ihn das Schicksal an die Spitze seiner Kolonne gestellt hat. Mit Gold wird meine Arbeit vielleicht nicht aufgewogen. Andre finden leichtere Wege, sich Schätze zu sammeln, die »Rost und Motten fressen«! Dagegen habe ich mehr als abermals tausend andre, und mehr als ich brauche. Die Unzufriedenheit findet freilich nie ihre Grenze, und es gibt Leute, die aus meiner Stellung mehr gemacht und weniger gearbeitet hätten. Jeder nach seiner Art.

Das »Leben« ist und bleibt ein Sturm hier wie überall, ein mörderisches Jagen, Schreien, Treiben und Stoßen. Tausende fallen, ehe die Schanze erstürmt ist. Hunderte kommen hinauf, jubelnd und blutend! Und die Schanze ist schließlich nichts als ein jämmerlich zerrissenes Stückwerk und gehört keineswegs dem jubilierenden armen Teufel, der Leib und Leben dran gewagt hat. Morgen geht's weiter!

Laßt ihn fortkämpfen! Es bleibt ihm das Gefühl der erfüllten Pflicht, das ist genug, und die Erinnerung, daß er mitgekämpft hat »als Soldat und brav«. –


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