Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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90.

Schubra, den 17. April 1866.

Begierig bin ich in der Tat, ob ich mit heiler Haut und lebendiger Seele unter den ringsum stürzenden Trümmern hervorkomme oder nicht. Die Verwirrung und Bestürzung ist unbeschreiblich, und in diesem Chaos eine größere technische Arbeit im Sturm zu Ende zu bringen, ist kein Kinderspiel.

Es ist kaum möglich, Euch meine gegenwärtige Lage zu schildern. Was die Europäer betrifft, so wurde ein Teil dieser Leute mit den verkauften Gütern dem Vizekönig zugewiesen, der sie auf Grund ihrer Verträge mit Halim übernimmt. Diese strömen nun sämtlich herbei und wollen sich's nicht gefallen lassen. Andre mußte ich alsbald entlassen. Von diesen wollen die einen entweder sogleich gehen, aber soviel Geld als freundliche Bereitwilligkeit herausbekommen, die andern weigern sich, ihre Posten zu verlassen. Auf allen Gütern, – außer Schubra, steht jede Arbeit vollständig still. Auch hier ist der Schrecken in die gewöhnlichsten Tagelöhner gefahren. Wie im Nu war der Schwarm zerstoben. Für zwei, drei Tage war kein Mensch an die Arbeit zu bringen. Mit unendlicher Mühe gelang es mir, ein paar Getreue um mich zu sammeln, die stündlich zu entwischen versuchen. Natürlich ist die Autorität, deren ich mich seit drei Jahren in unumschränkter Weise erfreute, mit einem Schlage dahin, und wenn auch die Leute, solang sie mich im Gesichte haben, die alten Formen wahren, ja sogar wirkliche Beweise einer gewissen Anhänglichkeit an den Tag legen – gutherzige Spitzbuben sind's! –, so ist doch, sobald ich den Rücken kehre, Hopfen und Malz verloren.

So bin ich denn großenteils mein eigner Arbeiter. Daß ich mich nach dem Ende dieses Zustandes sehne, brauche ich nicht zu sagen.

Morgen probiere ich zum erstenmal mein Pumpwerk, worauf noch etwa zehn Tage harter Arbeit auszuhalten sind.

Und was dann?

Ob ich auf einen Augenblick nach Athen gehe, um von dort aus das delphische Orakel zu befragen?

Und was dann?

Das ist nicht klar und hat's auch nicht zu sein. Ruhe brauch' ich. Wie lang ich die Ruhe aushalte, ist die einzige Frage, die mich zu ängstigen anfängt.


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