Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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102.

Neuorleans, den 18. März 1867.

Auch mit den freien Negern habe ich meine liebe Not. Halb Mensch, halb Affe – diese Geschöpfe sind dazu geschaffen, ein weißes Gemüt zur Verzweiflung zu bringen. Ihre neugewonnene Stellung gibt ihnen das Schlimmste im menschlichen Charakter; die Anmaßung der Dummheit, und ihre ehemalige Lage hat ihnen Tatkraft und Verständnis genommen, die in einem Leben in Freiheit erforderlich sind. Ich war nicht imstande, mit ihnen den Pflug vor neun Uhr morgens in Gang zu bringen. Zum Mittagessen mußten anderthalb bis zwei Stunden vertändelt werden, und nur abends arbeiteten die Geschöpfe wie weiße Leute, indem die Trägheit selbst sie verhindert aufzuhören, wenn sie einmal im Zuge sind. Mein Blut beginnt zu kochen, wenn ich manchmal an die europäische Negersentimentalität à la Onkel Toms Hütte denke.

Das Pflügen geht indessen seinem Ende zu. General Longstreet ist plötzlich wieder aufgetaut und mit dem Finanzminister des Staats, der ein unternehmender Mann zu sein scheint, zu uns nach Carolten herausgekommen. Am folgenden Tag hatte ich einen Arbeitsplan für eine Gesellschaft auszuarbeiten, die nächsten Herbst mit drei Dampfpflügen in und um Neuorleans in Tätigkeit treten soll. Die Sache war in drei Tagen geregelt und hängt nur noch an einem »Wenn!« Bei dem Kongreß sollte an einem der letzten Tage ein Gesetz durchgehen, wonach unsre Pflüge auf zwei Jahre zollfrei eingeführt werden dürfen. Ist dies geschehen – ich erwarte täglich die Nachricht –, so ist ein guter Anfang gemacht. Wo nicht, so gebe ich die Hoffnung auf, hier etwas leisten zu können.

Übrigens regnet es fast unablässig. Seit zehn Tagen sind wir von Neuyork abgeschnitten, da ganz Amerika unter Wasser steht. Vier oder fünf Eisenbahnzüge liegen in verschiedenen Teilen des Landes in uferlosen Seen. Ohne diese kleine Schwierigkeit wäre ich morgen auf dem Weg nach dem Norden.


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