Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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88.

Schubra, den 4. März 1866.

Es ist nunmehr entschieden, gesandelt und gesiegelt, und meine Freiheit auf weitere zwei Jahre verkauft. Das heißt, jeden Augenblick kann Halim Pascha zu mir sagen: »Von heute über drei Monate können Sie mit Ihren Pumpen, Dampfpflügen, Wasserleitungen, Hanf-, Flachs-, Baumwollen- und Sägemühlen, Schnaps- und Ziegelbrennereien, Salz- und Zuckerfabriken, Straßenanlagen, Kanalbauten, Dampfschiffen und all dem Zeug zum Kuckuck gehen, woher Sie ohne Zweifel gekommen sind!« Aber auch ich kann Seine Hoheit mit einer dreimonatigen Kündigung unter Schmach und Spott entlassen, so oft mir solches rätlich erscheint. Im übrigen hat sich nichts in meiner Stellung geändert. Ich war und bleibe unumschränkter, oberster Baschmahandi über unser ganzes Gebiet am untern Nil, kann aber vertragsmäßig in Oberägypten nicht mißbraucht werden, ein Punkt, auf dem ich bestand, da die französische Wirtschaft dort oben von Tag zu Tag bodenloser wird.

Der leere Raum aber, den ich für meinen Gehalt gelassen, ist seit vorgestern ausgefüllt. »Voilà votre contrat, Mr. Eyth!« sagte der Prinz, im Stil der Mühlbach freundlich lächelnd, und zog denselben aus der linken Rocktasche– »le sens est excellent, mais le français est horrible!« – »Ah!« erwiderte ich, »c'est le français de votre Trading Company, Monseigneur!« – »Eh bien! Avez vous un crayon?« – »Oui, Altesse!« – »Donnez le!« – Und er malte ein niedliches – in den hoffnungsvollen leeren Raum.

Wir können zufrieden sein, nicht wahr?

Meine Feinde hatten bereits ein kleines Spottchörchen für meinen Abschiedstag eingeübt und meine Freunde mit seltener Einmütigkeit mein bewegliches Eigentum: Klavier, Noten, Karten, Zeichnungen, Bücher und was ihnen irgend des Besitzes wert schien, unter sich verteilt. Mit dem Entschluß, meinen Posten gegen Freund und Feind aufs neue zu behaupten, geht es im alten Geleise wieder munter vorwärts. Sadik-Efendi, mein syrischer Assistent, ist Baudirektor in Schubra geworden. Es geschieht jetzt auch auf diesem Gebiet, was ich will, und was not tut. So schreitet ein hundertpferdiges Pumpwerk, das nach meinen Plänen für Schubra errichtet wird mit ungewohnter Schnelligkeit vorwärts, wurde vor drei Wochen angefangen und muß fertig werden, ehe ich in Ferien gehe. Sonst brauchte man zu ähnlichen Arbeiten hierzuland zwei bis vier Jahre. Mein Dampfbaumwollenpflug arbeitete vortrefflich und ruht zur Zeit auf seinen Lorbeeren aus. Die Beiruter Aussichten verdüstern sich allerdings. Wenn wir den alten Lykos, den ich brauche, nicht haben können, weil man Aufstände der Maronitendörfer befürchtet, denen dadurch das Wasser genommen würde, so will ich nichts damit zu tun haben. Das Ganze würde dann nur dazu dienen, etlichen griechischen Spekulanten eine halbe Million Franken von Halim-Paschas Geld in die Tasche zu spielen. Diese Herren sind daher auch über meinen kühlen Eifer bitterböse. Die hierzulande ungewohnte Offenheit, womit ich meine Ansichten ausspreche, erregt häufig ein komisches Entsetzen, das Halim-Pascha höchlich belustigt und ihn, auch wo unsre Auffassungen nicht übereinstimmen, noch nie beleidigt hat.


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