Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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119.

Neuorleans, den 20. Januar 1868.

Drei Tage vor Weihnachten kam der Schoner mit dem alten Neuyorker Dampfpflug hier an, und die Herren der Landwirtschaftsgesellschaft von Luisiana bestürmten mich in amtlicher Form, denselben auf ihre Ausstellung zu bringen. Ich verlangte einen Ehrenpreis von 500 Dollar, um die Unkosten zu decken. Dazu wollten sie sich jedoch nicht verstehen, da ihre Preisliste bereits veröffentlicht sei und sie dieselbe zugunsten einer aus England stammenden Maschine nicht abändern könnten, ohne das Nationalgefühl der Yankees allzu bitter zu verletzen. Hingegen sei ein Preis von 250 Dollar für die beste Straßenlokomotive, einer von 50 Dollar für den besten »Gangpflug«, der von Dampf gezogen werde, einer für eine Maschine zum Dämmemachen und einer (von einem Privatmann) für das nützlichste Gerät für Pflanzer überhaupt, ein Preis, den aber nie jemand bekomme, meinen Maschinen zugänglich.

Man kann nun zwar den Yankees nicht über den Weg trauen. Wenn ich aber die Möglichkeit vor mir sehe, mich entweder drei Wochen lang zu quälen oder drei Wochen nichts zu tun, so ist mein Los entschieden. Selbstquälerei ist nicht immer die richtige Politik. Voreilige Pioniere zerstoßen sich gewöhnlich den Schädel an den Wänden, durch welche die Nachzügler der Zivilisation behaglich durchspazieren. Aber zu helfen ist mir nicht.

Am Samstag nach Weihnachten waren Kisten und Kessel aus dem Schiff; ich konnte an die Arbeit gehen. Es war kein Augenblick Zeit zu verlieren. Ein paar Regentage konnten mich möglicherweise vom Ausstellungsplatz förmlich abschneiden. So begann es denn auch am Sonntag zu regnen, am Montag arbeiteten wir in strömendem Regen, bis es die Leute nicht mehr aushielten. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag waren erträglich. Die Maschinen machten sich allmählich auf die Beine. Freitagabend, nach einer Neujahrswoche, wie ich noch keine erlebt habe, waren wir reisefertig. Am Samstag dampften meine zwei Lokomotiven, umgeben von dem gewöhnlichen Ehrengeleite von Gassenjungen beiderlei Geschlechts, nach dem fünf Meilen entfernten Ausstellungsplatz.

Alles ging in den ersten drei Tagen recht brav, obgleich am zweiten mein Fuß von einem Hinterrad der Maschine nicht übel zerquetscht wurde, so daß ich vier Tage lang ohne Stiefel herumhüpfte, eine für Feldarbeit in nassem Wetter selbst in Luisiana nicht sehr geeignete Ausstattung. Dann aber setzte ein regelrechter Landregen die ganze Festlichkeit unter Wasser, es kamen ein paar Tage der Trübsal, in denen wir mehr schwammen als pflügten, und unsre Maschinen manchmal bis an die Achsen einsanken, auch verschiedene Wetten gemacht wurden, daß wir aus gewissen Lagen nie wieder herauskommen würden. Auch begann jetzt der patriotische Widerstand der Yankees sich mit Macht zu regen. Und nachdem uns die Preisrichter gar die zwei Hauptprämien zugesprochen hatten, wurde der Dampfpflug von allen Seiten bitter angegriffen und von den Zeitungen, in denen ich keine Anzeigen bestellt hatte, nach Kräften bespöttelt und beschimpft.

Wegen der fortwährend schlechten Witterung wurde die Ausstellungsdauer verlängert. Es blieb aber beim alten. Kalte Regenschauer, bodenlose Wege, eingemummte Damen und schnatternde Herren, umgedrehte Regenschirme, aufgeschlagene Hosen, schnupfendes Publikum und hoffnungslose Direktoren, welche umsonst Barometer und Thermometer um Gnade anflehten – so fing die Ausstellung an und so hörte sie auf.

Nichts war bei derselben so deutlich als der traurige Zustand des ganzen Landes, das sich von den Folgen des Kriegs nicht zu erholen vermag und unter dieser Regierung mit jedem Monat tiefer zu sinken droht. Überall dasselbe Lied: Neger, die lieber verhungern als arbeiten; Weiße, die nie arbeiten gelernt haben und denen die erste Lektion allen Mut genommen hat; nirgends Geld – das war eine alte Geschichte; nirgends Kredit – und das ist neu und den Leuten entsetzlich; denn selbst das tägliche Brot der Arbeiter muß bis zur nächsten Ernte, für die noch nicht gepflanzt ist, auf Kredit genommen werden.

Wie lange soll ich unter diesen Umständen noch aushalten? Das ist die Frage. Heute früh kam Lawrences neuer Dampfpflug an. Ist dieser anständig im Gang, so möchte ich am liebsten meine Rechnung mit Amerika abschließen. Gegen große, gewaltige Bewegungen, wie sie ein Volksleben hervorruft, ist es nutzlos, sich mit unsern kleinen Kräften zu stemmen. Der Mut wird zur Narrheit, wenn er gegen Windmühlen Krieg führt. Ärgerlich und unangenehm bleibt es deshalb doch, den Retirierschimmel satteln zu müssen.

De Mesnils Briefe aus Belgien sind bald »himmelhoch jauchzend«, bald »zum Tode betrübt«. Erfinden ist keine Hexerei und ein großes Vergnügen; Erfindungen ins praktische Leben einführen, ist dagegen eine bitterböse Aufgabe, auch in Europa. Der Gedanke der Seilschiffahrt wird mit der Zeit sich Bahn brechen; daran ist kein Zweifel. Das Zweifelhafte ist bloß, in wessen Tasche schließlich der Nutzen wandert, und ob wir's erleben.


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