Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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77.

Schubra, den 7. Juli 1865.

Unser neuer Regent Scheriff-Pascha hält die Cholera nicht auf. Vor drei Tagen starben in Kairo 380, gestern 430 Menschen. Alexandrien sei ausgestorben. – In Schubra beweist die reinere Luft ihren wohltuenden Einfluß. Wir hatten vielleicht acht bis zehn Fälle, von denen nur drei tödlich ausfielen. Einer der gefährlicheren traf meine Nachbarin, die englische Gärtnersfrau, die aber jetzt außer Gefahr ist.

Zu meinen mannigfachen Berufszweigen gehört nun auch der des Arztes und Apothekers. Ich erfreue mich einer glänzenden Praxis, besonders da ich die Medizin umsonst verkaufe. Es kam so weit, daß gestern sich einer mit Ohrenweh als »cholerakrank« vorstellte. Dem Mann gab ich mit bestem Erfolg reinen Cayennepfeffer, als Pulver zu nehmen. Er kam nicht wieder.

Der allgemeine Schrecken grenzt ans Komische. Alles flieht. Aus Alexandrien sollen 40 000 Europäer abgereist sein. Die Dampfschiffahrtsgesellschaften haben ihre Preise verdoppelt und Plätze zweiter Klasse nach Marseille wurden unter der Hand mit 8000 Franken bezahlt. Die Bankiers waren die ersten, welche das Land im Stiche ließen. Schließlich liefen auch die Eisenbahnbeamten und Telegraphisten davon. Das ist eine Welt!

Ich befinde mich ziemlich wohl. Für den Fall, daß mir irgend etwas Ernstliches zustoßen sollte, was ja inmitten eines solchen Sturmes in der Hand Gottes liegt, ist ein Vizebriefschreiber ernannt.


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