Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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4.

Steinen, den 12. Dezember 1859.

Immer noch in der Verbannung! Immer noch rauscht und schnaubt hinter mir, wenn ich schreibe, die Dampfmaschine mit ihren hundert Pferden; immer noch weiß ich nicht genau, wann ich wieder im alten Neste sitzen werde, in dem mir's nachgerade doch wohler wäre als hier.

Es ist ein verzweifeltes Problem, diese Kesselgeschichte! Ich habe zwar jetzt, nach dreiwöchiger Beobachtung, für alle sinnverwirrenden Erscheinungen meine Erklärung; ob aber die einzig noch möglichen Mittel Abhilfe bringen werden, das muß ich zwar mit frecher Stirne behaupten, im stillen steht es mir aber frei, mich nach Belieben von allen Furien des Zweifels und der Sorge quälen zu lassen.

Dabei bin ich trotz alles Sorgens nicht beschäftigt, wie ich wünschte, und manchmal beschleicht mich die unangenehme Frage, ob es Pflichterfüllung sei, tagelang untätig auf das Fallen eines Tropfens zu warten. Dann skizziere ich Ruinen der Umgegend, löse mathematische Aufgaben, oder mache gar – ich gesteh's mit Erröten – Verse, die sich beim taktmäßigen Keuchen der Maschine wie von selbst einstellen. Der tiefere Grund hierfür liegt jedoch anderswo. Mein neuer Steinener Freund Bohni hat eine leidenschaftliche Vorliebe für alles, was poesieartig aussieht. Um ihm ein kleines Andenken für seine unermüdliche Gefälligkeit zu hinterlassen, schrieb ich einige meiner früheren Sachen zusammen. Dabei hat sich der alte Adam wieder ein paarmal in seinem Grabe umgedreht. Es hat mich ordentlich gewundert. Und das Ergebnis war folgende Einleitung zu dem dünnen Heftchen.

Ich bin kein Dichter

Ich bin kein Dichter und ich kann's nicht fassen,
Wie man das Heiligste, was man empfunden,
Wie man sein Lieben all und all sein Hassen
Kann dastehn sehn, in Saffian gebunden.

Selbst nicht um Ruhm und Ehre möcht' ich werben
Mit dem, was ich in stiller Nacht gelitten,
Mit meiner Liebe Blühn, mit ihrem Sterben
Und mit des Herzens heimlich leisem Bitten.

Ich bin kein Dichter, kann nicht Handel treiben
Mit dem, was mir die Musen freundlich gaben;
Verschlossen soll mein Herz und einsam bleiben,
Bis man's mit seinen Blüten wird begraben.

Doch nein! – Ich will die frohen und die herben,
Will jedem gerne meine Lieder schenken,
Kann ich damit ein treues Herz erwerben
Und, wenn ich geh', ein freundliches Gedenken. –

Der Rückfall erklärt sich. Gestern habe ich in Hausen Hebels Geburtshaus und den Talschluß des Wiesentals besucht. Eine herrliche Gegend trotz des Dezembers, wenn gleichzeitig meine drei Kessel einen guten Tag haben.

»Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten!« Eben fängt der beste des eisernen Kleeblatts an, wie eine Dachtraufe zu tropfen! O Weihnachtszeit, allen Menschen ein Wohlgefallen, wie wird dir's diesmal ergehen?


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