Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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39.

London, den 26. Dezember 1862.

Eine Weihnachtsfreude – ob für Euch, ist freilich eine andre Frage: Meine Reise nach Indien ist nahezu eine Tatsache der Zukunft geworden. Die Plantage, um die es sich handelt, ist nach Angabe des hier befindlichen Besitzers »harter, trockener, steinfreier Boden«, es ist keine Baumwollen-, sondern eine Indigopflanzung. Die Maschinen gehen nächste Woche, natürlich den Seeweg, und mit ihnen ein Arbeiter. Ich gewinne dadurch einen Vorsprung von etwa zweieinhalb Monaten. Ein Monat wird nötig sein, um meine hiesigen Arbeiten zu beenden. Ungefähr drei Wochen sind auf Ägypten zu rechnen, und so hoffe ich etwa zehn bis zwölf Tage für die Heimat erübrigen zu können, in denen ich auf lange Zeit zum letztenmal deutsche Leute, deutsche Lieder und deutsche Liebe genießen werde – vielleicht auch Reitstunden und Schießübungen.

Und dann geht's vorbei an den Pyramiden und am Sinai. In Kalkutta treffe ich unsre Maschinen, die zunächst dreihundert Meilen mit der Bahn befördert werden sollen, und sodann weitere hundert Meilen über Land ohne Wege und über Flüsse ohne Brücken zu bringen sind. Auf der Indigopflanzung bleibe ich sechs Wochen, um alles hübsch in Gang kommen zu sehen, und vielleicht weitere sechs oder acht Wochen, um sonstige Verwendungen der Maschinen aufzufinden und einzuleiten. Dann habe ich auf Baumwollenpflanzungen zu sehen, wie man für die Wolle ackert, wie sie wächst und wie man sie sammelt. In betreff des letzteren wird mir empfohlen, eine Baumwollenerntemaschine zur Welt zu bringen, die eine große Zukunft habe, wenn sie nur erst erfunden wäre. Könnte ich ein paar Dampfpflüge an den Mann bringen, so wäre dies erwünscht. Nebenbei möge ich auf die Einführung von Straßenlokomotiven zur Beförderung der Baumwolle aus dem Innern nach Wasserstraßen oder Eisenbahnen hinarbeiten. – Von all diesen Dingen spricht man mit einer Ruhe und Bestimmtheit und spielt dabei mit Millionen wie bei uns über einen Feldweg zwischen Schöntal und Berlichingen. So ist's, wenn man ein großes Volk ist!

Die Leute hier beneiden mich fast ohne Ausnahme um die Aussicht, in eine derartige selbständige Stellung zu kommen. In solchen Dingen sind junge Engländer so sanguinisch, als irgend heißblütige Südländer es sein können. Ich selbst tue mein möglichstes, mir keine leeren Hoffnungen, vorzuspiegeln. Was mir sicher dünkt, ist eine große, interessante Reise. Alles übrige ist das Werk der Verhältnisse, denen in die Speichen zu fallen ich zu schwach bin. Mein Pflug ist der erste, der nach Indien geht. Ich habe die Ehre, die Urheimat der Germanen als Pionier der Dampfkultur zu betreten. Pioniere ernten manchmal den Ruhm, sicher aber die Mühen und Sorgen ihres Berufs. Kann übrigens ein Mann mehr verlangen, seitdem Adam in der Nähe meines künftigen Arbeitsfeldes auf seinen Distelacker gesetzt wurde?


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