Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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60.

Schubra, den 18. Mai 1864.

Schon im Altertum soll es vorgekommen sein, daß Mordwaffen aus Pflugscharen geschmiedet wurden. Sollte ich ähnliches erleben?

Nach dem Wettpflügen schickte ich infolge einer früheren Bitte des Redakteurs einen so neutral als möglich gefärbten Bericht über die Prüfung an die »Egyptian Times«. Um dieselbe Zeit war Delano, der Howardsche Agent, der den Redakteur persönlich kennt, in Alexandrien, wo das Blatt gedruckt wird. Mein Aufsatz erschien als »Korrespondenz«, in schändlicher Weise abgeändert. Der Gedanke, daß Delano an dem Schurkenstreich, der in Kairo nicht wenig Aufsehen erregte, beteiligt war, lag nahe. Ich ging ihm deshalb zu Leib und verlangte sein Ehrenwort, daß er nichts damit zu tun gehabt habe. Dies verweigerte er mit gut gespielter Entrüstung. Worauf ich ihn einen Schuft hieß. Da er nun keine ritterliche Natur ist, so schien der ganze Handel damit sein Ende erreicht zu haben. In meiner Abwesenheit jedoch gab er mir, wie ich hörte, das Kompliment heim, und da der Streit sich im ersten Gasthof Kairos abgespielt hatte und wir überzeugt waren, daß Afrika und Europa die Augen auf uns gerichtet hielten, so mußte etwas geschehen. In England, Deutschland, Frankreich wäre mir nun ohne Zweifel der Weg des Gesetzes offen gestanden. Nicht so hier. »Auf sich selber steht man ganz allein da!« Weshalb ich mich kurz entschloß, zu Halim-Pascha ging und ihm mitteilte, daß ich mich, wenn er gütigst erlaube, mit Delano schlagen werde. Der Pascha meinte, das gehe gegen diejenigen Landesgesetze, die ein Europäer nicht zu halten brauche. Er wolle mir deshalb nichts in den Weg legen. Im stillen machte ihm die Sache sichtliches Vergnügen. Mein Sekundant ging somit ab. Zuvor aber hatte einer meiner Freunde auf eigne Faust sich den Scherz erlaubt, in Shepheards Hotel zu munkeln, daß ich ein verzweifelt guter Pistolenschütze sei. Das Ergebnis übertraf seine Erwartungen. Delano gab sofort sein Ehrenwort, daß er an der Veränderung des Aufsatzes vollständig unschuldig sei. Ohne Beweise mußte ich natürlich glauben, was niemand glaubte, und mich mit einer kühlen Versöhnung, mehreren Champagnerflaschen, die ich zu bezahlen die Ehre hatte, und dem Triumph eines unblutigen Sieges begnügen. Der Redakteur schreibt mir nun, daß alles nur Druckfehler seien und daß er gerne bereit sei, dieselben zu berichtigen, wenn ich dafür seine gewöhnliche Anzeigetaxe – sechs Pences die Zeile – bezahle. Wie kann man mit einer solchen Menschenwelt anders fertig werden, als indem man ihr die Pistole auf die Brust setzt? Aber seid außer Sorge! Mit dem Redakteur schieße ich mich nicht. Es ist billiger, den Kerl zu bezahlen. Mit den übrigen hiesigen Engländern lebe ich seitdem auf einem heiteren Kriegsfuß. Es gibt Dinge, bei denen selbst die Gewissen zweier Nationen sich nicht begreifen. Man muß das erlebt haben, um es zu verstehen. Was die eine für die natürlichste Pflicht der Ehre hält, erscheint der andern eine unbegreifliche Narrheit. Welche hat das Recht, über die andre zu Gericht zu sitzen? Wer soll entscheiden?


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