Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

31.

London, den 29. Juni 1862.

Trotz des bunten Allerleis der äußeren Umgebung drückt mich die einförmige Ausstellungstätigkeit schwer. Eine willkommene, wenn auch kurze Unterbrechung verschaffte mir nach homöopathischen Grundsätzen eine andre Ausstellung, die der Royal Agricultural Society zu Battersea, im Südwesten Londons, mit der ein Preis- und Wettarbeiten von zehn verschiedenen Dampfpflugapparaten verbunden war. Es endete, wie wir ja nicht anders erwarteten, mit einem vollständigen, wenn auch nicht mühelos errungenen Sieg der Fowlerschen Geräte.

Die Abende und Nächte dieser heißen Woche brachte ich mit Fowler und andern englischen Ingenieuren zu und lernte dabei vieles, was man in Büchern und Studierstuben nicht lernt. Unter solchen Leuten wird einem der Unterschied zwischen dem deutschen und englischen Dichten und Trachten, zwischen Denken und Handeln, zwischen Vergangenheit und Zukunft unangenehm klar. Ich gebe mir redlich Mühe, mich von der deutschen Erbsünde, das Fremde anzustaunen, nach Möglichkeit zu befreien. Aber wo finden wir einen Maßstab, um bei solchen Vergleichen ohne Voreingenommenheit urteilen zu können? Der Fowlersche Stand in der Weltausstellung bietet mir täglich eine greifbare Darstellung dieses Verhältnisses. Hier stehen gewaltige Maschinen und Geräte, die Schöpfung einer energischen Jugendkraft unsrer Zeit, und daneben, auf dem Ehrenplatz des Standes, die Ergebnisse jahrelanger Studien der Vergangenheit, wunderliche Werkzeuge, die teilweise vor tausend Jahren schon vergessen waren. Nun ist es immer das erste Zeichen, woran ich den Deutschen von einem Engländer unterscheide: der eine bleibt vor der Sammlung stehen und betrachtet Stück für Stück die Geräte, die unsre Urväter gebraucht haben, der andre mustert die Maschinen, mit denen wir und unsre Enkel arbeiten werden. Für sie hat jener kaum mehr als ein verständnisloses Staunen; mit herablassendem Lächeln geht dieser an den alten Sachen vorüber!

Wegen zweier Dampfpflüge für Deutschland stehen wir gegenwärtig in ernstlicher Unterhandlung. Wenn irgendwo, sollte auch in Hohenheim ein derartiger Apparat aufgestellt werden, um die jungen Landwirte an den entsetzlichen Anblick dieser harmlosen Höllenmaschinen zu gewöhnen. Aber ich befürchte, man wird lieber ein paar altägyptische Pflüge in natürlicher Größe ausführen lassen, in der Hoffnung, auf billigerem Wege dieselbe Wirkung zu erzielen.


 << zurück weiter >>